Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 62
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Im Gegensatz zur bisherigen Bilanzierung nach IFRS 4 erfolgt die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen nach IFRS 17 zum Zeitwert. Um die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erwarteten Zahlungsströme vergleichbar zu machen und so den Zeitwert des Geldes als entscheidungsrelevante Information iRd. Bewertung zu berücksichtigen, sind die erwarteten Zahlungsströme daher mit aktuellen Zinssätzen zu diskontieren (IFRS17.BC186).
Diesem Paradigmenwechsel in der Bilanzierung versicherungstechnischer Verpflichtungen kam im Rahmen der Standardentwicklung große Beachtung zu. Bedenken aus den Unternehmen, dass diese Vorgehensweise zB aufgrund der hohen Variabilität der Zahlungsströme und der subjektiven Einschätzung mit erheblichen Bewertungsunsicherheiten einhergehen würde, hat der IASB nicht aufgegriffen, auch mit dem Argument, dass Unternehmen in ihrer internen Kalkulation sowie in anderen Unternehmensbereichen ohnehin Diskontannahmen verwenden würden (IFRS 17.BC187–189). Die Beurteilung ist auch vor dem Hintergrund des sehr dynamischen Zinsumfelds vorzunehmen, da der bisherige accounting mismatch (Kapitalanlagen zu Marktwerten und Rückstellungen zu Nominalwerten) vor allem in der Finanzberichterstattung 2022 durch eine hohe Volatilität des Eigenkapitals deutlich sichtbar wurde und eine sachgerechte Analyse der Abschlüsse deutlich erschwert hat.
Tz. 63
Stand: EL 54– ET: 10/2024
An die angewandten Diskontsätze werden iW folgende Anforderungen gestellt (IFRS 17.36):
1) |
Die Diskontsätze sollen den Zeitwert des Geldes, die Merkmale der Zahlungsströme und die Liquiditätsmerkmale der Versicherungsverträge widerspiegeln, |
2) |
sollen in Einklang stehen mit beobachtbaren aktuellen Marktpreisen (soweit vorhanden) für Finanzinstrumente mit Zahlungsströmen, deren Eigenschaften sich mit denen der Versicherungsverträge decken (zB. hinsichtlich des zeitlichen Anfalls, der Währung und der Liquidität), und |
3) |
Auswirkungen solcher Faktoren ausschließen, die zwar die beobachtbaren Marktpreise beeinflussen, sich aber nicht auf die zukünftigen Zahlungsströme der Versicherungsverträge auswirken. |
Tz. 64
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Nicht zu antizipieren und in die Bewertung von Versicherungsverträgen einzubeziehen ist hingegen das Bonitätsrisiko des Versicherungsunternehmens (IFRS 17.B83 (b) und B85)), da das Leistungsversprechen des Versicherers unabhängig von eventuellen Zahlungsschwierigkeiten zu beurteilen ist. Daher ist die Spread-Komponente aus der Referenzverzinsung zu extrahieren (vgl. Ewelt-Knauer et al., S. 205).
Allerdings sind Faktoren, die nicht in den am Markt beobachteten Renditen enthalten sind, jedoch den Zahlungsstromcharakteristika der versicherungstechnischen Verpflichtungen zugrunde liegen, einzubeziehen. Die Charakteristika von (illiquiden) Versicherungsverträgen sind regelmäßig nicht mit den (liquiden) Kapitalanlagen vergleichbar (IFRS 17.B78–B80).
Der Diskontsatz für eine GIC zum Zeitpunkt der Ersterfassung kann auch als gewichteter Durchschnitt aus den für die einzelnen Verträge geltenden Diskontsätze ermittelt werden.
Tz. 65
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Hinsichtlich der möglichen Methoden für die Ermittlung des marktkonsistenten Diskontierungszinssatzes werden in IFRS 17.B79–83 zwei Wege grundsätzlich beschrieben:
1) |
Bottom-up-Ansatz Liquide risikolose Renditekurve (zB Staatsanleihen, Swaps) + Zuschlag für Illiquidität der Versicherungsverträge (Illiquiditäts-Spread) (IFRS 17.B80; vgl. International Actuarial Association 2013, S. 197ff.). |
2) |
Top-down-Ansatz Wahl eines geeigneten Referenzportefeuilles (nahe am Versicherungsportfolio) ./. Risikoprämien für erwartet/unerwartete Ausfälle; ggf. Laufzeitenanpassungen (IFRS 17.B85; vgl. IFRS17.BC196 (b)). |
Der IASB lässt offen, welche Methode gewählt werden sollte und stellt klar, dass beide Ermittlungsansätze aufgrund des Schätzcharakters der erforderlichen Zinsaufschläge bzw. -abschläge und der eingeschränkt verfügbaren Marktinformationen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können (IFRS 17.B84). Ein Unternehmen ist nicht verpflichtet, den im Rahmen des gewählten Ansatzes bestimmten Abzinsungssatz mit dem Abzinsungssatz abzustimmen, der im Rahmen des anderen Ansatzes bestimmt worden wäre. Allerdings sind die verwendeten Zinskurven im Anhang anzugeben (IFRS 17.120).
Tz. 66
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Abhängig vom Bewertungsobjekt im Rahmen der Erst- oder Folgebewertung sind unterschiedliche Diskontsätze zu verwenden:
- Der Erfüllungswert (FCF) im GMM ist mit jeweils aktuellen Diskontsätzen zu berechnen. Die CSM ist somit bei der Erstbewertung ebenfalls mit dem dann aktuellen Zinssatz diskontiert.
- Die Aufzinsung der CSM erfolgt zum historischen (locked-in) Diskontzins, dh. mit dem Zins zum Zeitpunkt der Ersterfassung.
Im Rahmen der sog. OCI-Option (IFRS 17.88) gelten folgende Regelungen:
- Die Aufzinsung der diskontierten versicherungstechnischen Rückstellungen erfolgt anhand des historischen Diskontsatzes; bei Zinssatzänderungen kann der Differenzbetrag zw...