Tz. 29
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
IFRS 8 gewährt bei Erfüllung der in IFRS 8.2 genannten Anwendungskriterien grundsätzlich keine Möglichkeit, von einer Informationsgewährung zu den Geschäftssegmenten abzusehen. Befreiungs- oder Ausnahmeregelungen, wie zB in der EU-Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013 (Art. 18 Abs. 2) sowie im HGB (§§ 286 Abs. 1 u. 2 bzw. 314 Abs. 2 HGB), die sich aus dem lange Zeit gegen die Segmentberichterstattung vorgebrachten Argument der Gefahr von Wettbewerbsnachteilen begründen, bestehen in IFRS 8 nicht (explizit erläutert in IFRS 8.BC44; siehe auch SFAS 131 BC109).
Offensichtlich betrachtet der IASB die Gefahr von negativen Wettbewerbswirkungen für das publizierende Unternehmen als relativ gering, was auch der schon lange in der Literatur zum Ausdruck gebrachten, international dominierenden Auffassung entspricht (vgl. OECD, 1990, Tz. 29–32; Bernards, 1994, S. 136f.; AICPA, 1994, S. 73f., Pejic, 1997, S. 70–75; Fey/Mujkanovic, DBW 1999, S. 262; Langenbucher, FS Weber, 1999, S. 172f.). Somit steht – getreu dem decision usefulness-Gedanken – das Informationsinteresse der Abschlussadressaten eindeutig vor einem potentiellen Einblicksbegrenzungsinteresse der Unternehmen. Dies erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Segmentberichterstattung in Bezug auf die zu publizierenden Informationen vielmehr eine Beseitigung als einen Aufbau von Wettbewerbsverzerrungen bewirkt. Denn durch die Publikation disaggregierter Segmentdaten gewähren diversifizierte Unternehmen zwar längst nicht den detaillierten Informationsstand, den undiversifizierte, dh. ausschließlich in einzelnen Segmenten operierende Unternehmen, durch die Veröffentlichung ihrer Abschlüsse publizieren, aber ein gewisser Beitrag zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen im Hinblick auf das Publizitätsniveau diversifizierter und nicht diversifizierter Unternehmen wird dadurch zumindest geleistet (vgl. Bows, JoA 1966, S. 34; Haller/Park, ZfbF 1994, S. 503). Dieser Argumentation der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrung durch die Angabe von Segmentinformationen schließt sich auch der IASB im Hinblick auf IFRS 8 an (IFRS 8.BC44f.; entsprechend SFAS 131 BC111; EY 2020, S. 2877).
Tz. 30
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Trotz der konsequenten Umsetzung des management approach kann schon allein aufgrund des geforderten Datenumfanges (vgl. Tz. 76–111) und der bestehenden Aggregationsmöglichkeiten von Geschäftssegmenten (vgl. Tz. 49–75), aus den Bestimmungen des IFRS 8 keine Wettbewerbsschädlichkeit abgeleitet werden. Bezogen auf den Abschluss eines nicht diversifizierten Unternehmens bleiben die durch IFRS 8 für die Geschäftssegmente geforderten Daten und Informationen in ihrer Menge, ihrer Qualität und ihrem Detaillierungsgrad weit zurück. Darüber hinaus sind sie aufgrund ihrer Inhalte auch nicht geeignet, die Wettbewerbsposition eines diversifizierten Unternehmens negativ zu beeinflussen, denn diese wird grundsätzlich durch seine Erfolgspotentiale, dh. seine Wettbewerbsvorteile in den einzelnen Wertschöpfungsstufen bestimmt, worüber jedoch in IFRS 8 keine Angaben zu machen sind. Gleichwohl hatte der IASB und der FASB bei der Entwicklung ihrer Standards die Gefahr einer potentiell unternehmensschädigenden Informationsgewährung vor Augen, was sie ua. dazu veranlasste, Informationen zu Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in den jeweiligen Geschäftssegmenten nicht zu fordern (IFRS 8.BCA97).
Tz. 31
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§ 286 Abs. 1 HGB entsprechende Gründe des Ausschlusses der Gewährung segmentierter Informationen, wie die Wahrung höherer nationaler öffentlicher Interessen etc., finden sich in IFRS 8 (wie auch in allen anderen IFRS) nicht. Konflikte der Informationsgewährung mit dem öffentlichen Interesse sind bei Rechtsgeschäften mit staatspolitischen, sicherheitspolitischen oder militärischen Beweggründen denkbar (vgl. Grottel, in: Beck Bil.-Komm., § 286 Anm. 12). Im Rahmen der IFRS besteht kein Grundsatz "gesellschaftlicher Nutzen geht vor individuellem Nutzen". Ebenso sehen weder die EG-Richtlinien noch das HGB für Konzernabschlüsse (§§ 297 Abs. 1 Satz 2 bzw. 314 HGB) bzw. der DRS 28 eine solche Schutzklausel vor, wobei sie jedoch in Kommentaren analog auf solche Abschlüsse übertragen wird (vgl. Grottel, in: Beck Bil.-Komm., § 314 Anm. 5). Obwohl weder das Framework noch einzelne IFRS zur Klärung dieser Fragestellung Hinweise enthalten, sind nach der hier vertretenen Auffassung in begründeten Ausnahmefällen, die mit Sicherheit nur äußerst selten vorkommen dürften, potentiell gefährdete gesamtgesellschaftliche Interessen gegenüber der Befolgung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze als vorrangig zu betrachten. Allerdings sollte sich die Befreiung nur auf spezifische Informationen, die zur Gefährdung beitragen, und nicht auf sämtliche geforderte Segmentinformationen beziehen. Entsprechende erklärende verbale Angaben sind im Gegensatz zum handelsrechtlichen Abschluss (vgl. ADS, 6. Aufl., § 286 HGB, Tz. 17; Grottel, in: Beck Bil.-Komm...