Prof. Dr. Isabel von Keitz, Prof. Dr. Peter Wollmert
Tz. 105
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Nach IAS 37.48 sind künftige Ereignisse, die den Erfüllungsbetrag einer Verpflichtung beeinflussen können, bei der Bewertung der Rückstellung zu berücksichtigen, sofern sich deren Eintritt mittels objektiver Nachweise hinreichend substantiieren lässt (where there is sufficient objective evidence that they will occur). So sind bspw. Kostenminderungen infolge zunehmender Erfahrung bei der Anwendung existenter Technologien (= Lerneffekte) rückstellungsmindernd zu berücksichtigen; indes dürfen der Bewertung einer Rückstellung grundsätzlich nicht die Kostenverhältnisse einer noch zu entwickelnden, neuen Technologie zugrunde gelegt werden (IAS 37.49). Damit erklärt IAS 37 für die Bewertung von Rückstellungen nicht die am Bilanzstichtag geltenden, sondern die aus Sicht des Bilanzstichtags zum Erfüllungszeitpunkt der Verpflichtung relevanten künftigen Preis- und Kostenverhältnisse für maßgeblich; der in IAS 10 geregelte Grundsatz der Berücksichtigung von (allein) wertaufhellenden Ereignissen wird insoweit relativiert.
Tz. 106
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Für Zwecke der Objektivierung werden vernünftige Erwartungen von neutralen, fachlich qualifizierten Dritten gefordert, die auch anhand von Beweismaterial in ausreichendem Maße dokumentiert werden müssen (IAS 37.49; vgl. auch Schmidbauer, BB 2000, S. 1134 unter Hinweis auf Gantzkow/Gröner, DB 1998, S. 994f.). An dieses Objektivierungserfordernis sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es wird grundsätzlich erfüllt sein, wenn ein unabhängiger und qualifizierter Sachverständiger den Eintritt eines künftigen Ereignisses bestätigt (vgl. Schrimpf-Dörges, in: Beck IFRS-Handbuch, § 12, Tz. 65; Scheffler, in: Beck HdR, B233, Tz. 605).
Tz. 107
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Ferner sind nach IAS 37.50 die Wirkungen möglicher neuer Gesetze oder Gesetzesänderungen (effect of possible new legislation) zu berücksichtigen, soweit am Bilanzstichtag hinreichend objektive Nachweise eine zeitnahe Verabschiedung und Umsetzung der Gesetze als so gut wie sicher (virtually certain) erscheinen lassen; auch diese Bewertungsanweisung ist restriktiv auszulegen. Die erforderlichen Nachweise erstrecken sich sowohl auf den Inhalt eines neuen Gesetzes oder einer Gesetzesänderung als auch darauf, dass eine zeitnahe Verabschiedung und Umsetzung der Gesetze(sänderung) so gut wie sicher ist. Nach IAS 37.50 werden diese Nachweise vor der Verabschiedung eines neuen Gesetzes oder einer Gesetzesänderung nur in Ausnahmefällen beigebracht werden können. Vor dem Hintergrund des deutschen Rechtsumfelds dürften demnach die Wirkungen möglicher neuer Gesetze oder Gesetzesänderungen erst berücksichtigt werden, wenn
- bei Einspruchsgesetzen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, die Antragsfrist auf Einberufung des Vermittlungsausschusses abgelaufen ist und ein Vermittlungsausschuss nicht einberufen wurde und
- bei Zustimmungsgesetzen die Zustimmung durch den Bundesrat erfolgt ist.
Auf die Bekanntmachung des Gesetzes kommt es dagegen nicht an.