Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 64
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Ein Unternehmenszusammenschluss (business combination) ist gem. IFRS 3 Appendix A definiert als eine Transaktion oder ein anderes Ereignis, bei dem der Erwerber die Beherrschung über einen oder mehrere Geschäftsbetrieb(e) (businesses; vgl. Tz. 52 ff.) erlangt. Der Unternehmenszusammenschluss wird damit als wirtschaftliches Ereignis der Erlangung der Beherrschung betrachtet und nicht konsolidierungstechnisch definiert (IFRS 3.BC10; in IFRS 3 (2004) wurde der Unternehmenszusammenschluss noch als Zusammenführung von getrennten Unternehmen oder Geschäftsbetrieben zu einem berichterstattenden Unternehmen (reporting entity) beschrieben. IFRS 3 ist damit nicht auf Unternehmen mit lediglich kombinierter Finanzberichterstattung (combined financial statements; Gleichordnungskonzerne) anzuwenden (vgl. hierzu IFRS-Komm., Teil B, IFRS 10, Tz. 196 ff.). Echte Verschmelzungen (true mergers oder merger of equals) sind explizit als Unternehmenszusammenschlüsse definiert (IFRS 3 Appendix A), obwohl sie das Kriterium der Beherrschung erfüllen, da ihre Behandlung in der Phase der Diskussion von den Kommentatoren als unklar angesehen wurde (IFRS 3.BC12).
Tz. 65
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Voraussetzung eines Unternehmenszusammenschlusses ist, dass ein Erwerber die Beherrschung über einen Geschäftsbetrieb (business; vgl. Tz. 52 ff.) iSd. IFRS 3 erlangt. Der Begriff business combination ist damit sehr weit gefasst (hierzu vgl. auch Tz. 20 ff.), was zu Abgrenzungs- und Auslegungsschwierigkeiten (zB im Fall von Ein-Objektgesellschaften in der Immobilienindustrie, vgl. Tz. 67) führt. Neben dem Erwerb von Anteilen eines anderen Unternehmens (Share-Deal) und dem Kauf des Reinvermögens eines Unternehmens (Asset-Deal) umfasst er explizit auch den Erwerb von Geschäftsbetrieben. Damit rücken die Existenz und der Erwerb eines Geschäftsbetriebs stärker in den Mittelpunkt der Analyse eines Unternehmenszusammenschlusses nach IFRS 3. Liegt kein Geschäftsbetrieb (business) vor, handelt es sich lediglich um einen Erwerb der Nettovermögenswerte (purchase of net assets) und nicht um einen Unternehmenszusammenschluss. IFRS 3 ist in diesem Fall nicht anzuwenden. Von zentraler Bedeutung ist die Identifikation eines Geschäftsbetriebes und damit die Abgrenzung eines Unternehmenszusammenschlusses gegen den bloßen Erwerb der Nettovermögenswerte (vgl. zu den Abgrenzungsproblemen bereits Hommel/Benkel/Wich, BB 2004, S. 1268).
Tz. 66
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der Erwerb von Anteilen eines Unternehmens oder eines Geschäftsbetriebes ohne Beherrschung stellt dagegen keinen Unternehmenszusammenschluss dar. Die Bilanzierung für solche Fälle wird geregelt in:
Ebenfalls kein Unternehmenszusammenschluss liegt vor, wenn Minderheitsanteile an einem bereits beherrschten Tochterunternehmen erworben werden, außer der Erwerb der Minderheitsanteile steht in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unternehmenserwerb (vgl. hierzu Tz. 34; zur Bilanzierung eines Erwerbs von Minderheitsanteilen an einem Tochterunternehmen vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 10, Tz. 391 ff.).
Tz. 67
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Zu der Frage, ob der Erwerb eines rechtlichen Unternehmens (legal entity) bereits einen Hinweis für das Vorliegen eines Unternehmenszusammenschlusses darstellt (zB bei sog. Ein-Objektgesellschaften oder bei auf Objektgesellschaften ausgelagerte Forschungsaktivitäten und Leasinggesellschaften), und damit nach der Erwerbsmethode des IFRS 3 zu bilanzieren ist, vgl. Tz. 58 ff.