Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 69
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Geld-Brief-Spannen sind aus Sicht des IASB nur für Finanzinstrumente und auf Märkten relevant, auf denen ein Intermediär (bspw. ein Broker) Käufer und Verkäufer zusammenführt (IFRS 13.BC165). Der Briefkurs repräsentiert hierbei den Verkaufspreis, den ein Marktteilnehmer auf dem relevanten Markt akzeptieren würde (Zugangspreis aus Unternehmenssicht), während der Geldkurs denjenigen Preis darstellt, zu dem ein Marktteilnehmer das Bewertungsobjekt erwerben würde, was aus Unternehmenssicht dem exit price entspricht (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 115). Bei der Bewertung eines nichtfinanziellen Vermögenswertes oder einer nichtfinanziellen Schuld ist die Geld-Brief-Spanne laut IASB unerheblich, da sich Käufer und Verkäufer bereits gefunden haben und der Preis, dh. der beizulegende Zeitwert, zu beobachten ist.
Tz. 70
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Werden am Markt Geld- und Briefkurse für einen Vermögenswert bzw. eine Schuld quotiert (zB auf einem dealer market; vgl. Tz. 67), soll derjenige Preis innerhalb der Geld-Brief-Spanne zur Fair-Value-Bewertung herangezogen werden, der den beizulegenden Zeitwert unter den vorherrschenden Bedingungen am besten repräsentiert (IFRS 13.70). Dies gilt zwar unabhängig von der Hierarchieebene des betrachteten Inputparameters, jedoch ist diese Vorschrift lediglich für die ersten beiden Stufen sinnvoll. Level-3-Inputparameter zeichnen sich durch ihre Eigenschaft als nicht beobachtbare Faktoren aus, wodurch folglich auch keine Geld- und Briefkurse vorliegen (vgl. Löw/Antonakopoulos/Weiland, WPg 2007, S. 733).
Die Verwendung von Geldkursen für Vermögenswerte und von Briefkursen für Schulden ist zwar nicht vorgeschrieben, aber aufgrund des ökonomischen Gehalts zulässig (IFRS 13.70; IFRS 13.BC163). Dies gilt auch für Mittelwerte der Geld-Brief-Spannen (sog. mid market prices) sowie für andere (vereinfachende) Markt- und Bewertungskonventionen (IFRS 13.71). Hieraus folgt, dass die Bewertungsperspektive nicht unmittelbar der geforderten Veräußerungsperspektive in IFRS 13 entspricht (vgl. ausführlich Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, in: Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 118f.). Im Sinne der Veräußerungsperspektive wäre bspw. für Vermögenswerte konsequenterweise auf den Geldkurs iSe. exit price abzustellen (vgl. Wieland-Blöse/André, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 13, Tz. 276). Diese auf den Grundprinzipien basierende Auslegung muss jedoch durch das beschriebene Wahlrecht in IFRS 13.70 nicht zwangsläufig eingehalten werden, sodass hierin zunächst ein Widerspruch zur geforderten Veräußerungsfiktion des IFRS 13 gesehen werden kann (vgl. Freiberg, PiR 2011, S. 297). Dem ist zuzustimmen, sofern für ein Bewertungsobjekt auf einheitliche Geld- bzw. Briefkurse abgestellt werden kann. Sofern jedoch Transaktionspreise innerhalb der Geld-Brief-Spanne regelmäßig beobachtbar sind, können auch diese Preise als sachgerechter Wertmaßstab angesehen und die Wahlrechtsausübung als angemessen beurteilt werden (vgl. hierzu Wieland-Blöse/André, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 13, Tz. 276 sowie ursprünglich zu der Kritik Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 118f.). Insgesamt bergen die vom IASB als zulässig erachteten, voneinander abweichenden Wertansätze für den identischen Sachverhalt zumindest die Gefahr einer eingeschränkten Vergleichbarkeit (IFRS 13.BC162). In der Praxis zeigt sich jedoch, dass idR für Vermögenswerte der Geldkurs und für Schulden der Briefkurs verwendet wird (vgl. Lüdders, KoR 2015, S. 306). Zudem sind die einmal angewandten Bewertungsverfahren im Regelfall stetig anzuwenden (vgl. IDW RS HFA 47, Tz. 75). Dies ist zumindest in Bezug auf die innerbetriebliche Vergleichbarkeit positiv zu bewerten, entkräftet jedoch nicht die Zweifel an der zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit. Sofern im Zugangszeitpunkt ein Kurs innerhalb der Geld-Briefspanne als Fair Value verwendet wird, weicht dieser ggf. vom tatsächlichen Transaktionspreis ab. Die entstehende Differenz ist als Transaktionskosten anzusehen und als solche gemäß IFRS 9.5.1.1 zu behandeln (vgl. IDW RS HFA 47, Tz. 77; vgl. Tz. 42a).
Tz. 71
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der Standard IFRS 13 lässt offen, welche Komponenten die Geld-Brief-Spanne – neben den Transaktionskosten – noch enthält. So kann bspw. ein Händler (dealer market, vgl. Tz. 67) neben den Transaktionskosten auch eine Marge in seine Preisstellung einbeziehen (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 115). Explizit nicht Bestandteil von Geld-Brief-Spannen sind laut IASB speziell (in der Praxis beobachtete) Preisanpassungen auf Basis von Kontrahentenausfallrisiken. Vereinfachende Markt- und Bewertungskonventionen dürfen solche Adjustierungen folglich nicht berücksichtigen (IFRS 13.BC164). Im Zweifelsfall muss das bilanzierende Unternehmen die quotierte Geld-Brief-Spanne näher untersuchen und in ihre Komponente...