Tz. 125

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Mark Carney, Governor der Bank of England und Chairman des G20 Financial Stability Board (FSB), warnte bereits im Herbst 2014 vor einer "Carbon Bubble", die den Finanzmärkten drohe und potenziell gravierendere Auswirkungen als die Finanz- und Wirtschaftskrise haben werde. Wenn die Staatengemeinschaft zur Begrenzung des Klimawandels eine weitgehende Dekarbonisierung der Weltwirtschaft (um 80 bis 95 %) bis 2050 umsetzt, dann seien treibhausgasintensive Assets und Unternehmen mittel- bis langfristig überbewertet. Potenziell für die Finanzmarktstabilität gefährliche Entwicklungen seien jedoch nicht erst 2050 zu befürchten, sondern schon deutlich eher: Es sei davon auszugehen, dass spätestens 2030 offenkundig sein wird, dass Wirtschaftsordnungen erheblich anzupassen seien, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren. Das Problem wäre dann nicht mehr, wie in der Vergangenheit häufig vorhergesagt, dass Öl-, Gas- und Kohlevorkommen eines Tages aufgebraucht sein könnten, sondern dass bestehende Vorkommen nicht weiter ausgebeutet werden könnten. Diese Rohstoffe wären "unverbrennbar". Solche Rohstoffvorkommen selbst, aber auch z. B. Maschinen und Anlagen, die für den Betrieb auf solche Rohstoffe angewiesen sind, würden zu "Stranded Assets" – also grundsätzlich noch funktionsfähigen Vermögenswerten werden. Doch aufgrund geänderter regulatorischer Vorgaben, sozialer Normen oder technologischer Entwicklungen wären sie nicht weiter nutzbar und daher außerplanmäßig abzuschreiben.

 

Tz. 126

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Risiken für die Finanzmarktstabilität würden sich derzeit vor allem im Versicherungssektor ergeben. Eine deutlich verschärfte Treibhausgasregulierung sei ab 2030 zu erwarten. Banken hätten einen Anlagehorizont von rund sechs Jahren, aktuelle Investitionen würden also deutlich vor 2030 auslaufen. (Lebens-)Versicherungsunternehmen haben hingegen in der Regel deutlich längere Anlagehorizonte von häufig 30 Jahren und damit deutlich über 2030 hinaus. Daher bestünde die Gefahr, dass langfristige Anleihen, z. B. von Unternehmen der Stahl-, Chemie-, Energieerzeugungs- oder Automobilbaubranchen, die die Versicherer bis zur Endfälligkeit zu halten beabsichtigen, in einigen Jahren infolge einer schärferen Regulierung von Treibhausgasemissionen deutlichen Abwertungsbedarf haben werden.

 

Tz. 127

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Solche Risiken werden heute kaum berücksichtigt, dh., sie werden von Finanzmarktakteuren kaum eingepreist. Carney führt dies auf eine "Tragedy of Horizons" zurück. Heutige Finanzberichte seien überwiegend vergangenheitsorientiert und würden allenfalls in der nahen Zukunft erwartbare Entwicklungen antizipieren. Aussagen über die mittel- bis langfristige Entwicklung der Rahmenbedingungen und darüber, wie sich diese auf die Geschäftstätigkeit auswirken können, zB anhand von Szenarioanalysen, fehlen. Wenn Investoren nur Informationen über die kurzfristige künftige Entwicklung als Entscheidungsgrundlage hätten, würde dies zu den vielfach beklagten (zu) kurzfristigen Investitionshorizonten führen oder dazu, dass Risiken einfach unbeachtet bleiben. Die Erkenntnis dieser Problematik liegt auch der Entwicklung des Integrated Reporting Framework durch den International Integrated Reporting Council zugrunde. Vor diesem Hintergrund hat der FSB eine Task Force eingesetzt, die Empfehlungen für Climate-Related Financial Disclosures ausgearbeitet hat.

 

Tz. 128

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Die TCFD entwickelt Empfehlungen für "freiwillige", klimabezogene und finanzielle Offenlegungen. Ziel ist es, finanzielle Nachhaltigkeitsberichte konsistent, vergleichbar, verlässlich, eindeutig und wirkungsvoll zu gestalten. Zusätzlich sollen die Berichte eine wertvolle Unterstützung bei der Entscheidungsfindung für Kreditgeber, Versicherer und Investoren sein. Das Rahmenwerk liefert breitflächig anwendbare Handlungsempfehlungen, konkrete Veröffentlichungsempfehlungen und einen Leitfaden zur Umsetzung der Empfehlungen.

 

Tz. 129

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Im Kern umfassen die TCFD-Empfehlungen lediglich insgesamt elf Berichtselemente, die den vier Dimensionen Governance, Strategie, Risikomanagement sowie Indikatoren und Ziele zugeordnet werden.

 

Tz. 130

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Angaben zu klimabezogenen Governance-Aspekten sollen umfassen:

  • Rolle des Aufsichtsrats bei der Überwachung von klimabezogenen Chancen und Risiken,
  • Rolle des Vorstands mit Blick auf das klimabezogene Chancen- und Risikomanagement.
 

Tz. 131

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Angaben zu tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen von klimabezogenen Chancen und Risiken auf Geschäftsmodell, Strategie und Planung sollen umfassen:

  • vom Unternehmen identifizierte klimabezogene Chancen und Risiken (kurz-, mittel- und langfristig),
  • Auswirkungen dieser Chancen und Risiken auf Geschäftsmodell, Strategie und Planung,
  • szenarioabhängige Strategie-Resilienz, insb. in einem <2°C-Szenario.
 

Tz. 132

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Zur Berücksichtigung von klimabezogenen Chancen un...

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