Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 163
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Nach IFRS 3 wird die Ansatzkonzeption durch die entsprechenden Querverweise zwar grundsätzlich an das Rahmenkonzept angelehnt, IFRS 3 fordert aber weder die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses bzw. Nutzenabflusses noch die zuverlässige Ermittelbarkeit der beizulegenden Zeitwerte für erworbene Vermögenswerte und Schulden bei einem Unternehmenszusammenschluss. Somit besteht für die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden eine "niedrigere … Nachweisschwelle" als für andere Bilanzposten, vor allem als für die materiellen Vermögenswerte (Hommel/Benkel/Wich, BB 2004, S. 1269).
Tz. 164
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Der IASB begründet die Abschaffung des noch in IFRS 3 (2004) enthaltenen Wahrscheinlichkeitskriteriums für den Ansatz erworbener immaterieller Vermögenswerte damit, dass die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses bereits in der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert berücksichtigt wird. Dies gilt nach Ansicht des IASB auch für den Ansatz von einzeln erworbenen immateriellen Vermögenswerten. Aus Sicht des IASB ist das Kriterium des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses für immaterielle Vermögenswerte somit stets erfüllt (IAS 38.25 iVm. 38.33; IFRS 3.BC130).
Der IASB hat die damit entstandene Inkonsistenz von IFRS 3 auf der einen Seite, und dem Rahmenkonzept, in dem das Wahrscheinlichkeitskriterium als grundlegendes Ansatzkriterium für alle Vermögenswerte und Schulden enthalten ist (vgl. F.4.37), sowie IAS 37, in dem das Wahrscheinlichkeitskriterium als das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung von Eventualforderungen und Eventualschulden enthalten ist, auf der anderen Seite bewusst in Kauf genommen (IFRS 3.BC127 ff.; vgl. auch Heidemann, 2005, S. 84 f.).
Tz. 165
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Die Inkonsistenz mit IAS 37 versuchte der IASB zu lösen, indem er in dem Entwurf zur Überarbeitung von IAS 37 vom 30. Juni 2005 die Begriffe Eventualschulden und Eventualforderungen gestrichen hat. Auf der gemeinsamen Sitzung von IASB und FASB im November 2010 wurde entschieden, angesichts anderer Prioritäten die weiteren Beratungen zur Überarbeitung von IAS 37 auf die Zeit nach Juni 2011 zu verschieben. Bislang bleibt damit die Inkonsistenz bei der Bilanzierung von Eventualschulden und Eventualforderungen bei Unternehmenszusammenschlüssen im Vergleich zur Bilanzierung nach anderen Standards sowie nach dem Rahmenkonzept bestehen.
Tz. 166
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Die Abkehr von dem Wahrscheinlichkeitskriterium als Ansatzkriterium steht im Einklang mit dem sowohl vom IASB als auch vom FASB eingeleiteten Weg zur verstärkten Bilanzierung zu beizulegenden Zeitwerten. Geringe Wahrscheinlichkeiten stellen in diesem Konzept kein Zeichen für Existenz oder Nichtexistenz eines Vermögenswertes dar, sondern sind lediglich zur Wertermittlung mit Hilfe des Erwartungswert-Konzeptes relevant (Wert * Wahrscheinlichkeit = Erwartungswert; vgl. Hommel/Benkel/Wich, BB 2004, S. 1270). Das Kriterium der Wahrscheinlichkeit stellt in diesem Fall somit "nur" einen Bewertungsparameter, nicht aber ein Ansatzkriterium dar. Die Tatsache, dass der immaterielle Vermögenswert bzw. die Eventualschuld im Rahmen des Unternehmenszusammenschlusses erworben wurde und in die Kaufpreisüberlegungen eingeflossen ist, wird höher eingestuft als die Aussicht auf den tatsächlichen Nutzenzufluss bzw. Nutzenabfluss.
Als kritisch an diesem Ansatz ist die Tatsache zu beurteilen, dass die Schlussfolgerung des IASB, die Wahrscheinlichkeit wird bereits im Wertansatz berücksichtigt, nur unter Sicherheit und bei Marktvollkommenheit gilt. Bei immateriellen Vermögenswerten erfolgt die Bewertung indes zwangsweise meist subjektiv. Hommel/Benkel/Wich sprechen hier zu Recht von der "Entobjektivierung der Kaufpreisallokation durch Verzicht auf das Probable-Kriterium" (Hommel/Benkel/Wich, BB 2004, S. 1270).
Als Ergebnis der Eliminierung des Kriteriums des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses erübrigt sich auch die separate Unterscheidung von Eventualschulden. Sie sind bei einem Unternehmenszusammenschluss nunmehr zwingend anzusetzen. Die Charakterisierung als Eventualschulden nach IAS 37 bleibt ihnen allerdings erhalten.
Tz. 167
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Obwohl durch Feldstudien, die im Vorfeld der Veröffentlichung von IFRS 3 (rev. 2008) durchgeführt wurden, ermittelt wurde, dass im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbene immaterielle Vermögenswerte unter bestimmten Umständen nicht verlässlich bewertet werden können, beschloss der IASB, das noch in IFRS 3 (2004) enthaltene Kriterium der verlässlichen Ermittelbarkeit der beizulegenden Zeitwerte nicht in IFRS 3 (rev. 2008) zu übernehmen. Vielmehr sind nach Ansicht des IASB zum einen jederzeit ausreichend Informationen vorhanden, um den beizulegenden Zeitwert eines im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen immateriellen Vermögenswertes verlässlich zu bewerten. Die vereinbarte Gegenleistung zeigt nach Ansicht des IASB, dass ein künftiger Nut...