Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 27
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
In Anlehnung an die Eigenkapitaldefinition im Rahmenkonzept (vgl. F.49 (c)) wird ein Eigenkapitalinstrument (equity instrument) als vertragliche Vereinbarung definiert, die einen Residualanspruch auf das Vermögen eines Unternehmens nach Abzug all seiner Schulden begründet (IAS 32.11).
Tz. 28
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Die vorstehende Definition ist in der Anwendung komplexer, als sie auf den ersten Blick anmutet: Während sich aus Sicht des Rechteinhabers vergleichsweise einfach klären lässt, ob dieser einen (abstrakten) Anspruch auf das Reinvermögen des Unternehmens besitzt, an dem er beteiligt ist, lässt sich dies für den Emittenten nicht unmittelbar ableiten. Ursächlich dafür ist der Bezug auf den Terminus "Schulden" und damit auch die finanziellen Verbindlichkeiten, deren Ermittlung die Bestimmung des Residualanspruchs zwangsläufig voraussetzt. Das bedeutet, dass der (abstrakten) Prüfung, ob das Finanzinstrument einen Anspruch auf das Reinvermögen begründet, eine Untersuchung vorausgeht, ob das Instrument die Definitionsmerkmale einer finanziellen Verbindlichkeit erfüllt; die Residualbedingung aus der Definition eines Eigenkapitalinstruments ist also subsidiär zur Prüfung, ob eine Zahlungsverpflichtung besteht, der sich der Emittent nicht entziehen kann. Wäre dem so, darf das Instrument auf Seiten des Emittenten nicht als Eigenkapitalinstrument eingestuft und ausgewiesen werden (zur Ausnahme kündbarer Instrumente vgl. Tz. 36 ff.). Dieser Umstand wurde gerade im deutschen Rechtsraum lange verkannt – was in gewissem Maße sicherlich dem tradierten Verständnis darüber, was Eigenkapital ausmacht, sowie einer scheinbar "in Sicherheit wiegenden" Formulierung in IAS 32 geschuldet war: In IAS 32.AG13 werden als Beispiele für Eigenkapitalinstrumente Stammaktien (pauschal und ohne Ausnahme), bestimmte Arten an Vorzugsaktien sowie bestimmte Derivate auf eigene Eigenkapitalinstrumente angeführt. An einer konzeptionellen Auseinandersetzung der verschiedenen Arten gesellschaftsrechtlicher Kapitalien fehlt es ebenso wie an einer Beleuchtung der Regelungen verschiedener Rechtskreise. Da liegt es nahe, dass viele Anwender die gewohnte Handhabung nach deutschem Bilanzrecht mangels besserer Kenntnis als grundsätzlich auch unter IFRS sachgerecht ansahen.
Tz. 29
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Auch wenn es im deutschen Bilanzrecht an einer konkreten Definition für das Eigenkapital mangelt, haben sich in den GoB einige Prinzipien herausgebildet (vgl. diesbzgl. stellvertretend die Stellungnahme HFA 1/1994 zur Bilanzierung von Genussrechten; ergänzend Kampmann 2001, S. 137 ff., Kuhn/Scharpf 2006, Rn. 3705 ff.; Mentz 2009, Rn. 53 f. und Müller/Weller/Reinke 2008, S. 1109 ff.; zur fehlenden begrifflichen Abgrenzung vgl. Müller, 1995, S. 445 ff. sowie Rückle/Klatte 1986, S. 116). Ein Vergleich mit dem in den IFRS niedergelegten Konzept der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital ergibt zwei wesentliche Unterschiede: Zum einen wird in der Abbildung nach deutschen Rechtsnormen nicht allein auf ein Trennkriterium – das Bestehen resp. Fehlen einer Zahlungsverpflichtung, derer sich der Emittent nicht entziehen kann – abgestellt (s. a. Schmidt 2013, S. 203). Vielmehr weisen Eigenkapitalinstrumente ein Bündel von Eigenschaften auf, zu denen neben dem auch in IAS 32 genannten Anspruch auf Beteiligung am Reinvermögen die Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung sowie die Teilnahme an laufenden Ergebnissen (positiv wie negativ) konstituierend sind. Zum anderen wird die Gewichtung von möglicher Zahlungsverpflichtung und Verkörperung eines Residualanspruchs umgekehrt und letztgenannte höher gewichtet; maW: Selbst bei Bestehen einer Zahlungsverpflichtung, die sich idR aus dem Recht auf Rückgabe des Gesellschaftsanteils an den Emittenten ergibt, würde die Einstufung der Kapitalie als Eigenkapital nicht in Frage gestellt. Dies führt im Vergleich zur Regelung in den IFRS folglich zum exakt gegenteiligen Ergebnis (vgl. Barckow 2008, S. 315 f.)!
Tz. 30
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Auf die oben (vgl. Tz. 28) genannte Problematik der Subsidiarität sind zunächst Gesellschaften in der Rechtsform einer Genossenschaft aufmerksam geworden, weil nach damaligem Rechtsstand Genossenschaften ein Ausstiegsbegehren eines Anteilseigners nicht abwehren, sondern nur für eine bestimmte Zeit aufschieben konnten; der deutsche Gesetzgeber hat mittlerweile zwar das Genossenschaftsgesetz geändert und die Pflicht zur Rücknahme der Genossenschaftsanteile gestrichen und in das Benehmen der einzelnen Genossenschaft gestellt (s. a. Dürr 2007, S. 178 f., Fentz/von Voigt 2007, S. 25; KPMG 2008, S. 128; Mentz 2009, Rn. 196 ff. mwN). Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass die weit überwiegende Mehrzahl der Gesellschaftsverträge noch den alten Rechtsstand reflektiert und nicht geändert wurde. Die zweite Gruppe von Unternehmen, die mit dieser Definition Probleme bekam, waren die Personenhandelsgesellschaften, weil deren Gesellter in Ermangelung eines Handels...