Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Eva Bracht
Tz. 122
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Für die Finanzierung gemeinschaftlich erworbener Vermögenswerte der gemeinschaftlichen Tätigkeit können die gemeinschaftlichen Betreiber entweder
- zinslose eigenkapitalähnliche Mittel,
- verzinsliche Mittel zu Sonder- bzw. zu marktkonformen Konditionen oder
- eine Kombination dieser Alternativen
der gemeinschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung stellen.
Für die Bilanzierung einer Forderung aufgrund der einer gemeinschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung gestellten Mittel ist grundsätzlich kein Raum, wenn die den gemeinschaftlichen Betreibern zustehenden Rechte an den Vermögenswerten den zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln entsprechen (hier und im Folgenden ausführlich vgl. Höfner, 2017, S. 317–320).
Soweit ein Betreiber – über seinen Anteil an der gemeinschaftlichen Tätigkeit hinaus – wie ein unabhängiger Kreditgeber zusätzliche Mittel der gemeinschaftlichen Tätigkeit zur Verfügung stellt, hat er eine Forderung in Höhe des seinen Anteil an der gemeinschaftlichen Tätigkeit übersteigenden Betrages (ggü. den übrigen gemeinschaftlichen Betreibern) zu bilanzieren.
Tz. 123
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Darüber hinaus ist es durchaus üblich, dass aufgrund einer besseren Bonität (und damit verbundenen oftmals günstigeren Kreditkonditionen) nur eine Partei nach außen die Verpflichtungen der gemeinschaftlichen Tätigkeit übernimmt, im Innenverhältnis die Verpflichtungen indes gemeinsam getragen werden (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Komm., 17. Aufl., § 34, Tz. 36). Für die bilanzielle Abbildung eines solchen Sachverhaltes kommen grundsätzlich zwei Alternativen in Frage:
- Die Partei, welche die Verpflichtung eingeht, erfasst die Schuld in vollem Umfang und setzt gleichzeitig die ihr von den anderen Parteien zustehenden Ausgleichsansprüche als Vermögenswert an. Die anderen Parteien tragen im Innenverhältnis ihren Anteil an Zins- und Tilgungszahlungen und bilanzieren jeweils die Ausgleichsansprüche ggü. der finanzierenden Partei als Verbindlichkeit.
- Die finanzierende Partei erfasst ebenfalls lediglich ihren Anteil an der Schuld. Die Haftungsverpflichtung ist von der finanzierenden Partei im Anh. zu zeigen.
Tz. 124
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Das IFRIC hat sich ebenfalls mit einem ähnlichen Fall im Zusammenhang mit einer Leasingverbindlichkeit im Rahmen einer Agendaentscheidung auseinandergesetzt. Das IFRIC ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der gemeinschaftliche Betreiber, der die Verbindlichkeit eingeht, die Verbindlichkeit vollumfänglich zu bilanzieren hat, sofern er die Hauptverantwortlichkeit für die Verbindlichkeit trägt (vgl. IFRIC (Hrsg.), Agenda Decision – Liabilities in relation to a Joint Operator’s Interest in a Joint Operation (März 2019)). Berücksichtigt man, dass IFRS 11.2 im Rahmen der gemeinschaftlichen Vereinbarung eine Bilanzierung gem. den vertraglich festgelegten Rechten und Pflichten beabsichtigt, so könnte man gleichwohl zu dem Ergebnis kommen, dass die erste Bilanzierungsalternative nicht sachgerecht ist (hierzu vgl. Brune, in: Beck IFRS‐Handbuch, 5. Aufl., § 29, Tz. 37; aA Ehrcke, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 11, Tz. 199). Die finanzierende Partei müsste insofern, mit Rücksicht auf den substance over form Gedanken der IFRS, ebenfalls nur ihren Anteil an der Verbindlichkeit bilanzieren. Dies gilt indes nur dann, wenn die restlichen Parteien der gemeinschaftlichen Vereinbarung ihre Zins- und Tilgungszahlungen auch tatsächlich übernehmen. Sofern die Aufteilung der Verbindlichkeit und der Aufwendungen ausbleibt, da bspw. die anderen Parteien sonstige Leistungen (bspw. Know-how) in die gemeinschaftliche Tätigkeit einbringen, hat die finanzierende Partei die gesamte Verbindlichkeit zu erfassen (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Komm., 17. Aufl., § 34, Tz. 38; Brune, in: Beck IFRS‐Handbuch, 5. Aufl., § 29, Tz. 37).