Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 219
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Das Rahmenkonzept des IASB enthält neben den grundlegenden Anforderungen an die Relevanz und glaubwürdige Darstellung weitere qualitätsverbessernde Zusatz-Anforderungen (Vergleichbarkeit, Überprüfbarkeit, Zeitnähe, Verständlichkeit) sowie die Nebenbedingung der Kosten-Nutzen-Abwägung, um mögliche Zielkonflikte zwischen den Primäranforderungen zu vermeiden. Mit der Nebenbedingung der Kosten-Nutzen-Abwägung in RK 2.39ff. (2018) verpflichtet der IASB den Bilanzierenden etwa zur Wirtschaftlichkeit in allen Bereichen der Rechnungslegung. Der Informationsnutzen sollte demnach die Kosten der Informationsbeschaffung übersteigen. Zudem ist angesichts der Anforderung der Zeitnähe auch der Zeitbezug der Informationsvermittlung zu berücksichtigen (RK 2.33 (2018)). Kommt es bei der Berichterstattung zu einer unangemessenen Verzögerung, so können die Informationen ihre Relevanz verlieren. Obwohl die IFRS kein explizites Konsolidierungswahlrecht – wie in § 296 Abs. 1 Nr. 2 HGB – für Tochterunternehmen enthalten, deren Angaben nicht ohne unverhältnismäßig hohe Kosten oder Verzögerungen zu erhalten sind, ist es damit aufgrund der im Rahmenkonzept enthaltenen Grundsätze uU denkbar, auf die Einbeziehung solcher Tochterunternehmen zu verzichten.
Tz. 220
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Allerdings ist die Nichteinbeziehung eines Tochterunternehmens in den Konzernabschluss wegen unverhältnismäßig hoher Kosten bzw. zeitlichen Verzögerungen regelmäßig nur schwer zu rechtfertigen, da der Informationsnutzen für die Adressaten des Konzernabschlusses nicht messbar ist (zum Informationsnutzen des Konzernabschlusses vgl. bereits Baetge, 1970, S. 169). Eine zeitliche Verzögerung der Informationsbeschaffung ist zudem vor dem Hintergrund moderner Informations- und Kommunikationssysteme kaum begründbar. Ferner dürfte ein Verzicht auf die Vollkonsolidierung aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen mit den IFRS nur in seltenen Ausnahmefällen vereinbar sein, zumal die Information der Adressaten das übergeordnete Ziel eines Konzernabschlusses nach IFRS darstellt. Generell kann festgestellt werden, dass eine Nichteinbeziehung höchst selten mit unverhältnismäßig hohen Kosten bzw. zeitlichen Verzögerungen gerechtfertigt werden kann. Zudem ist dies häufig subjektiv und kann in der Praxis unter gleichen Bedingungen zu bedeutenden Abweichungen führen (vgl. Risse, 1996, S. 224; Wagenhofer, 6. Aufl., S. 390f.; Wollmert, 1995, S. 75). Gegebenenfalls ist eine Konsolidierung mit vereinfachenden Werten unter Berücksichtigung von Wesentlichkeitsüberlegungen einer Nichtkonsolidierung vorzuziehen.
Tz. 221
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Als Anwendungsfälle für den (allerdings nur vorübergehend rechtfertigbaren) Verzicht auf die Konsolidierung eines Tochterunternehmens aufgrund von unverhältnismäßig hohen Kosten oder zeitlichen Verzögerungen kommen damit praktisch nur außergewöhnliche Ereignisse in Frage, etwa der Erwerb eines Tochterunternehmens ohne funktionierendes Rechnungswesen, Katastrophen, Streiks oder ein Zusammenbruch der Datenverarbeitungsanlagen. Unterbleibt die Konsolidierung aufgrund zeitlicher Verzögerungen, muss der Bilanzierende allerdings belegen können, dass die Adressaten des Konzernabschlusses bessere Entscheidungen treffen können, wenn der Abschluss verzögerungsfrei, aber ohne Konsolidierung des Tochterunternehmens aufgestellt wird, als wenn der Abschluss verspätet und unter Konsolidierung des Tochterunternehmens aufgestellt wird. Bei der Beurteilung, ob in diesen Fällen ausnahmsweise auf die Vollkonsolidierung verzichtet werden kann, ist ebenfalls die Wesentlichkeit der ausgelassenen Information zu berücksichtigen (vgl. Tz. 216 ff.).
Tz. 222
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Falls ein Tochterunternehmen ausnahmsweise bei unverhältnismäßig hohen Kosten bzw. zeitlichen Verzögerungen nicht konsolidiert wird, sollten die Anteile am Tochterunternehmen entsprechend der Stufenkonzeption der IFRS im Konzernabschluss nach IFRS 9 (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 9, Tz. 13 ff.) bilanziert werden.