Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Fabian Graupe
Tz. 100
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Mit der Veröffentlichung des überarbeiteten IFRS 3 im Jahre 2008 wurden die Vorschriften zur bilanziellen Behandlung eines sukzessiven Unternehmenszusammenschlusses wesentlich geändert (vgl. hierzu ausführlich IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 332–359). Gemäß IFRS 3.42 sind die bisher gehaltenen Anteile zum neuerlichen Erwerbszeitpunkt mit ihrem beizulegenden Zeitwert zu bewerten. Ein dabei entstehender Gewinn oder Verlust ist ergebniswirksam zu erfassen. Zudem sind sämtliche im Rahmen der bisherigen Beteiligungsbilanzierung im sonstigen Ergebnis (other comprehensive income (OCI)) erfassten Beträge zum Zeitpunkt des Statuswechsels so zu behandeln, wie dies erforderlich wäre, wenn die Altanteile veräußert worden wären (vgl. zu den Regelungen des IFRS 3.42 im Zusammenhang sukzessiver Unternehmenszusammenschlüsse kritisch Höbener/Dust/Gimpel-Henning, PiR 2016, S. 337–344). Diese Regelung ist nur dann von Relevanz, wenn die Beteiligung bislang erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertet wurde. In diesem Fall besteht ein Wahlrecht, die in der Neubewertungsrücklage erfassten Wertänderungen innerhalb des Eigenkapitals, also bspw. in die Gewinnrücklagen, umzugliedern (may transfer the cumulative gain or loss within equity). Eine Umbuchung dieser Beträge in die Gewinn- und Verlustrechnung, wie es noch nach IAS 39 vorzunehmen war, ist zu keinem Zeitpunkt erlaubt (IFRS 9.B5.7.1).
Tz. 101
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Bei einer analogen Anwendung von IFRS 3.42 wäre im Beispielsachverhalt wie folgt vorzugehen: Der beizulegende Zeitwert der am 01.01.20X1 erworbenen Anteile zum 01.01.20X2 beläuft sich auf 2.100 GE. Wurde die Beteiligung bisher erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertet und die Wertänderung iHv. 900 GE gemäß IFRS 9.5.7.5 im sonstigen Ergebnis erfasst, darf diese Wertänderung in Analogie zu IFRS 3.42 zum 01.01.20X2 in die Gewinnrücklagen umgegliedert werden. Diese Umgliederung entfiele, sofern die Beteiligung als erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert designiert war, da die Wertänderung des beizulegenden Zeitwerts bereits in der Gewinn- und Verlustrechnung enthalten wäre.
Wurde die Beteiligung bisher gemäß IFRS 9.B5.2.3 ausnahmsweise zu Anschaffungskosten bewertet, so ist zum Zeitpunkt des Statuswechsels der Wertansatz der Beteiligung an den beizulegenden Zeitwert von 2.100 GE erfolgswirksam anzupassen.
Der zum Zeitpunkt des Statuswechsels anzusetzende Equity-Wert beläuft sich nach dieser Lesart folglich unbeachtlich der bisherigen Bilanzierung auf 4.200 GE (beizulegender Zeitwert der ersten Tranche von 2.100 GE zuzüglich der Anschaffungskosten der zweiten Tranche von 2.100 GE). Der Geschäfts- oder Firmenwert ermittelt sich als Differenz zwischen Equity-Wert von 4.200 GE und anteiligem zum 01.01.20X2 neubewerteten Eigenkapital von 2.700 GE (9.000 GE × 0,3) und ist damit iHv. 1.500 GE in einer Nebenrechnung zu erfassen.
Tz. 102
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Zunächst ist die Fair Value-Ermittlung der Altanteile konzeptionell insofern zu begrüßen, als diese zu zeitlich konsistenten Werten und somit grundsätzlich zu einer verbesserten Interpretierbarkeit der Bilanzierung führt. Bei dieser Bilanzierung würden sich nämlich sämtliche Eingangsgrößen im Rahmen der Anwendung der Equity-Methode – also sowohl der Beteiligungswert der Alt- und Neuanteile als auch die identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden des Beteiligungsunternehmens – auf den Zeitpunkt des Statuswechsels beziehen. Würden die Altanteile nicht mit ihrem aktuellen Fair Value in die Ermittlung des Equity-Werts einbezogen werden, würde dieser Equity-Wert einen "Werte-Mix" (Stibi, WPg 2012, S. 760), also ein Konglomerat zeitlich inkonsistenter Werte darstellen. Auch wenn bei der Equity-Methode lediglich ein aggregierter Wert in der Bilanz dargestellt wird, so sollte er dennoch die zugrunde gelegten Werte der (anteiligen) hinter der Beteiligung stehenden Vermögenswerte und Schulden zu den verschiedenen Zeitpunkten widerspiegeln (vgl. Gimpel-Henning, 2015, S. 186f.).
Tz. 103
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Für die analoge Anwendung von IFRS 3.42 spricht des Weiteren die vom IASB im Kontext des sukzessiven Unternehmenszusammenschlusses vorgebrachte Begründung, dass eine Übergangskonsolidierung auf Basis zeitlich konsistenter Werte sowohl die Komplexität der Bilanzierung als auch die damit verbundenen Kosten des Abschlusserstellers im Vergleich zu einer tranchenweisen Ermittlung (vgl. Tz. 113–130) reduziert (IFRS 3.BC328). Zwar bezieht sich dieses Argument des IASB auf den Übergang zu einem Tochterunternehmen, gleichwohl lässt sich argumentieren, dass diese vom Standardsetzer beabsichtigte Vereinfachungswirkung erst recht für den Übergang von der Bilanzierung einer einfachen Beteiligung zur Equity-Bilanzierung gilt, da die Ermittlung historischer Werte aufgrund des im Vergleich zur Beherrschung geringeren Einflusses regelmäßig schwieriger sein dürfte (glA Hayn, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 37, Tz. 22).
Tz. 104
Stan...