Gregor A. Bartle, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otto H. Jacobs
Tz. 14
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Grundsätzlich müssen Vorräte die abstrakte Bilanzierungsfähigkeit eines Vermögenswerts erfüllen. IAS 2 beinhaltet diesbezüglich keine Vorschriften, sodass die allgemeinen Anforderungen des IFRS-Rahmenkonzepts (Framework) heranzuziehen sind. IAS 2 basiert auf den Grundüberlegungen des IFRS-Rahmenkonzepts, welches im Jahr 1989 vom IASC genehmigt und im Jahr 2001 vom IASB angenommen wurde. Nach der Definition des Rahmenkonzepts aus dem Jahr 1989 ist ein Vermögensgegenstand eine Ressource, die aufgrund von Ereignissen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht und von der erwartet wird, dass aus ihr dem Unternehmen künftig wirtschaftlicher Nutzen zufließt (F. 49ff. (1989)). 2018 wurde das Rahmenkonzept grundlegend überarbeitet und enthält u. a. eine aktualisierte Definition für Vermögenswerte sowie neue Regelungen für Ansatz und Ausbuchung. Zielsetzung des Rahmenkonzepts 2018 ist, das IASB bei der Entwicklung neuer Standards und die IFRS-Anwender beim Verständnis und der Interpretation dieser neuen Standards zu unterstützen. Maßgeblich für IAS 2 wird das neue Rahmenkonzept 2018 jedoch erst im Rahmen einer umfassenden konzeptionellen Überarbeitung von IAS 2, die derzeit noch nicht absehbar ist. Vermögenswerte sind das Ergebnis vergangener Geschäftsvorfälle (F.49 (a) (1989). Dies hat zur Folge, dass bspw. die bloße Absicht zukünftig Vorräte zu kaufen, nicht ausreichend für ihren Ansatz ist (F.58 (1989)). Vermögenswerte müssen sich in der Verfügungsmacht des Unternehmens befinden. Bei dieser Betrachtung ist das in F.35 (1989) verankerte Prinzip der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (substance Over form) zu berücksichtigen, wonach nicht die reine rechtliche Gestaltung, sondern letztlich der wirtschaftliche Gehalt des Geschäftsvorfalls ausschlaggebend für dessen bilanzielle Behandlung ist. Nach IFRS 15 ist auf den Übergang der Kontrolle (IFRS 15.31) abzustellen. Dies bedeutet, dass zB Handelswaren auch dann im Vermögen des Käufers zu bilanzieren sind, wenn sie zwar unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, eine Zahlung durch den Käufer jedoch beabsichtigt ist. Auch Vorräte, die im Rahmen einer Sicherungsübereignung an einen Kreditgeber übertragen wurden, sind weiterhin dem Sicherungsgeber zuzurechnen, solange der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist (zur erforderlichen Anhangangabe vgl. Tz. 114). Besteht dagegen zwischen Käufer und Verkäufer eine Rückkaufsvereinbarung, hat eine differenzierende Beurteilung zu erfolgen. Ist das wirtschaftliche Ziel, dem Verkäufer lediglich eine Finanzierungsmöglichkeit bereitzustellen, erfolgt auch die Bilanzierung der Vorräte weiterhin beim Verkäufer. In Fällen, bei denen keine terminlich fixierte Rückkaufsvereinbarung, sondern lediglich die Option auf einen Rückkauf vereinbart wurde, ist für die bilanzielle Zurechnung beim Veräußerer entscheidend, inwieweit ein Rückkauf wahrscheinlich ist. Als letzte Voraussetzung im Rahmen der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit ist für den Ansatz von Vorräten erforderlich, dass sie künftig direkt oder indirekt zu einem Zufluss von Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten beitragen (F.53 (1989)). Aufgrund der Marktnähe von Vorräten kann diese Bedingung als erfüllt betrachtet werden.