Prof. Dr. Andreas Barckow, Jens Berger
Tz. 231
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Vorstehend wurde geklärt, welche Geschäfte dem Grunde nach für eine Designation als Grundgeschäft infrage kommen. Der IASB präzisiert sodann, welche Risiken sich konkret für eine Sicherungsbilanzierung qualifizieren. Dabei unterscheidet er zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Grundgeschäften. Handelt es sich bei dem zu designierenden Grundgeschäft um ein Finanzinstrument, kann dieses entweder global gegen sämtliche Risiken oder lediglich gegen bestimmte Teilrisiken (portions) abgesichert werden (vgl. IAS 39.81). Eine Teilabsicherung kann sich dabei auf folgende Größen erstrecken:
- eine eindeutig abgrenzbare Risikoart (zB die Veränderung des risikofreien Zinses oder die Veränderung des Wechselkurses);
- einzelne vertraglich fixierte Zahlungen (zB Währungsveränderungen aus in den ersten drei Jahren zu leistenden Zahlungen bei einem Ratenkredit mit einer Laufzeit von fünf Jahren);
- einen Teil an einzeln vertraglich fixierten Zahlungen (bspw. die Währungsveränderungen aus der Hälfte aller in den ersten drei Jahren zu leistenden Zahlungen bei einem Ratenkredit mit einer Laufzeit von fünf Jahren), wobei das Inflationsrisiko bei Festgeschäften explizit von einer Designation ausgeschlossen ist (vgl. IAS 39.BC172Gff.). Bei einer Teilabsicherung ist ferner zu beachten, dass der designierte Teil kleiner sein muss als die insgesamt zu leistenden bzw. empfangenden Zahlungen (vgl. IAS 39.AG99C). Diese Bestimmung stellt die Praxis va. in Situationen vor Probleme, in denen Zahlungen an einen Referenzzins gekoppelt und mit einem festen Abschlag belegt sind. Wenn bspw. ein AAA geratetes Unternehmen eine zu EURIBOR abzgl. 20 Basispunkten verzinsliche Emission gegen Zahlungsstromänderungen aus der Veränderung des EURIBOR mittels Abschluss eines Zinsswaps absichern will, kann es die Sicherung bilanziell nicht abbilden, weil das Teilrisiko "Veränderung des EURIBOR" größer als der letztlich zur Zahlung gelangende Zahlungsstrom ist (sog. sub-LIBOR issue)! Diese Regelung ist eine der Vorschriften, die die Europäische Kommission im Zuge der Übernahme von IAS 39 in europäisches Recht herausgenommen hat (sog. Carve-out); oder
- einen voll proportionalen Anteil an den Wert- oder Zahlungsstromveränderungen (bspw. 70 % aller auftretenden Wertschwankungen).
Die Absicherung lediglich eines Teils der insgesamt bestehenden Risiken, denen das Geschäft ausgesetzt ist, setzt voraus, dass sich die Wertänderung, die auf die Teilabsicherung zurückgeht, zuverlässig bemessen lässt (diese wird später zur Beurteilung der Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung benötigt).
Tz. 232
Stand: EL 52 – ET: 02/2024
Im Gegensatz zu Finanzinstrumenten versagt der IASB bei der Absicherung nichtfinanzieller Geschäfte (bspw. Warenbestände) grundsätzlich die Absicherung von Teilrisiken. Er lässt lediglich die bilanzielle Abbildung einer Absicherung von Währungsrisiken zu (s. a. Freiberg, 2011, S. 207f.). Der Board begründet seine Haltung damit, dass die zuverlässige Isolierung und Bemessung von Wertänderungen einzelner Komponenten eines nichtfinanziellen Postens schwierig und nicht in sachgerechter Weise möglich sei (vgl. IAS 39.82 iVm. BC137ff.). Diese Haltung wird insbesondere in der Industrie nur mit Kopfschütteln quittiert: In der betrieblichen Praxis sei es seit langem üblich, die Wertänderung einzelner Komponenten abzusichern (s. a. Kuhn/Hachmeister, 2015, S. 280; Kuhn/Scharpf, 2006, Tz. 2213; zum Derivateeinsatz deutscher Unternehmen bei der Absicherung von Rohstoffrisiken vgl. Klöcker, 2011, S. 178ff. und 194ff.). So sichern bspw. Hersteller sog. weißer Ware häufig den Preis durch Einsatz von Kupferderivaten ab, weil der Wert einer Wasch- oder Spülmaschine va. durch Veränderungen für das in der Maschine befindliche Kupferaggregat getrieben wird. Aufgrund der nachweislich hohen Korrelation zwischen dem Wert des eingesetzten Kupfers und dem Preis der Maschine könne wirtschaftlich eine mehr als nur befriedigende Absicherung erreicht werden, die bilanziell nicht nachgezeichnet werden dürfe, weil man die in der Maschine enthaltene Kupferkomponente nicht zum Sicherungsgegenstand erklären dürfe. Ein anderes Beispiel: Gasversorger sichern sich gegen adverse Preisveränderungen häufig durch Einsatz von Rohölderivaten ab. Zwar ist Rohöl kein Bestandteil des verkauften Erdgases – der Preis von Erdgas wird aber häufig vertraglich an jenen von Erdöl gebunden, so dass auch hier eine hohe Korrelation in den Wertverläufen zu erwarten ist (s. a. die entsprechende Anfrage an das IFRS Interpretations Committee, IFRIC Update October 2004, S. 4). Gleichwohl ist die Absicherung allein der Rohölpreiskomponente bilanziell nicht statthaft. Auch wenn andere Teilkomponenten als das Währungsrisiko für die Absicherung nicht in Frage kommen, versucht der Board die Kritik dadurch zu besänftigen, dass er ausführt, dass man das nichtfinanzielle Geschäft ja in seiner Gesamtheit als Sicherungsgegenstand designieren und das Absicherungsverhältnis (sog. hedge ratio) aufgr...