Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Fabian Graupe
Tz. 47
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Wagniskapital-Organisationen, offene Investmentfonds, Investmentgesellschaften und ähnliche Unternehmen einschließlich fondsgebundener Versicherungen dürfen aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit von der Anwendung der Equity-Methode absehen (measurement exemption), sofern diese Unternehmen die Anteile am assoziierten Unternehmen oder am Gemeinschaftsunternehmen bei ihrem erstmaligen Ansatz erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert gemäß IFRS 9 bewerten (IAS 28.18).
Entscheidend ist, dass die Anteile bereits bei ihrem Zugang einer der beiden Kategorien (Einbeziehung at equity oder erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert) zugeordnet worden sind. Eine nachträgliche Klassifizierung der Anteile mit dem Ziel, von der Bewertung der Anteile at equity gemäß IAS 28 auf die erfolgswirksame Bewertung zum beizulegenden Zeitwert gemäß IFRS 9 überzugehen, ist somit nicht zulässig; ebenso wenig ist es zulässig, im Nachhinein von der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert abzurücken und auf die Bilanzierung nach der Equity-Methode überzugehen. Der IASB begründet diese Einschränkung der verpflichtenden Anwendung der Equity-Methode damit, dass im Fall von Wagniskapital-Organisationen, offenen Investmentfonds, Investmentgesellschaften und ähnlichen Unternehmen einschließlich fondsgebundener Versicherungen die erfolgswirksame Bewertung der Anteile zum beizulegenden Zeitwert dem Management und den Investoren die relevanteren Informationen vermittle als die Bilanzierung nach der Equity-Methode (IAS 28.BC5 (2008)). Überdies ändere sich bei derartigen Unternehmen regelmäßig die Beteiligungshöhe und damit der Grad der Einflussnahme. Der hieraus folgende häufige Wechsel der Konsolidierungs- und Bewertungsmethoden würde die Entscheidungsnützlichkeit des IFRS-Abschlusses beeinträchtigen (IAS 28.BC6 (2008)).
Tz. 48
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Venture-Capital-Gesellschaften oder ähnlichen Unternehmen wird in IAS 28.18 somit ein explizites Wahlrecht eröffnet. Letztendlich liegt es im Ermessen des beteiligten Unternehmens, seine Anteile am assoziierten Unternehmen oder am Gemeinschaftsunternehmen beim erstmaligen Ansatz als "erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet" zu designieren, vorausgesetzt, das Finanzinstrument erfüllt die Kriterien des IFRS 9für eine solche Designation. Begrenzt wird dieses Wahlrecht hingegen durch den Grundsatz der Stetigkeit, wonach im IFRS-Abschluss gleichartige Sachverhalte im Zeitablauf einheitlich abzubilden sind (IAS 8.13). Fraglich ist, wie in diesem Fall der Grundsatz der Stetigkeit auszulegen ist. Nach der hier vertretenen Auffassung folgt aus dem Grundsatz der Stetigkeit nicht, dass eine Venture-Capital-Gesellschaft bzw. ein ähnliches Unternehmen sämtliche assoziierten Unternehmen oder sämtliche Gemeinschaftsunternehmen einheitlich entweder entsprechend IAS 28 at equity oder erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert gemäß IFRS 9 im Konzernabschluss abbilden muss. IAS 28.18 trifft hierzu keine Aussage. Vielmehr ist bei Venture-Capital-Gesellschaften bzw. ähnlichen Unternehmen bezüglich der im Konzernabschluss abzubildenden assoziierten Unternehmen einerseits zwischen Beteiligungen zu unterscheiden, die als Finanzanlage mit ausschließlicher Renditeabsicht gehalten werden, und andererseits zwischen strategischen Beteiligungen, die langfristig mit dem Ziel gehalten werden, den eigenen Geschäftsbetrieb zu erweitern. Dementsprechend ist es mit dem Grundsatz der Stetigkeit vereinbar, dass Beteiligungen, die als Finanzanlage mit ausschließlicher Renditeabsicht (Beteiligungsportfolio) gehalten werden, gemäß IFRS 9 bilanziert werden, während strategische Beteiligungen an anderen Venture-Capital-Gesellschaften (die der Erweiterung des eigenen Geschäftsbetriebs dienen) gemäß IAS 28 nach der Equity-Methode im IFRS-Abschluss dargestellt werden (ebenso vgl. EY, International GAAP 2017, S. 718f.).
Tz. 49
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Im Rahmen der Annual Improvements to IFRS 2014–2016 hat der IASB durch eine Änderung in IAS 28.18 klargestellt, dass das Wahlrecht des IAS 28.18für jedes assoziierte Unternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen einzeln ausgeübt werden darf. Die Änderung ist retrospektiv auf Berichtsperioden eines am 1. Januar 2018 oder danach beginnenden Geschäftsjahres anzuwenden.
Tz. 50
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Fraglich erscheint, wie die Ausnahme von der Anwendung der Equity-Methode nach IAS 28.18 in Konstellationen zu beurteilen ist, in denen ein Mutterunternehmen zwei Tochterunternehmen vollkonsolidiert, beide Tochterunternehmen einen maßgeblichen Einfluss auf ein und dasselbe Unternehmen besitzen, indes nur eines dieser Tochterunternehmen die Ausnahmevorschrift des IAS 28.18 in Anspruch nehmen kann. Eine Möglichkeit wäre, zunächst alle direkten und indirekten Stimmrechte an dem Beteiligungsunternehmen zu identifizieren und – soweit ein maßgeblicher Einfluss gegeben ist – die Equity-Methode auf sämtliche Anteile anzuwenden (IAS 28.BC21). Die zweite Möglichkeit wäre, zunäch...