Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 417
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Call-Optionen sind Rechte des erwerbenden Unternehmens, Anteile ohne beherrschenden Einfluss zu einem künftigen Zeitpunkt zu einem festgelegten Preis zu erwerben. Gemäß IFRS 10 sind die mit den Call-Optionen verbundenen Stimmrechte als potenzielle Stimmrechte bei der Ermittlung der Beherrschung über das erworbene Unternehmen zu berücksichtigen sind, sofern sie bereits ausübbar sind (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 10, Tz. 113 ff,). In Fällen, in denen weniger als 50 % der Stimmrechte erworben wurden, aber ausübbare Call-Optionen auf Stimmrechte bestehen, die zusammen mit der erworbenen Stimmrechten zu Stimmrechten von mehr als 50 % führen, führt die Berücksichtigung dieser Call-Optionen dazu, dass das erworbene Unternehmen beherrscht wird und der Erwerb als Unternehmenszusammenschluss gem. IFRS 3 zu bilanzieren ist. Bei der Bilanzierung, zB bei der Ermittlung des Anteils des Mutterunternehmens bzw. des Anteils der Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluss, sind allerdings grundsätzlich nur die tatsächlichen Anteilsverhältnisse zu berücksichtigen. Ausnahmsweise sind bereits die potenziellen Stimmrechte in der Anteilsquote des erwerbenden Unternehmens zu berücksichtigen, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits über die mit dem zugrunde liegenden Stimmrechtsanteil verbunden Nutzen verfügen kann.
Tz. 418
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Ob die Call-Option bereits zum Erwerbszeitpunkt beim erwerbenden Unternehmen zu einem Nutzenpotenzial führt, hängt dabei von den Bedingungen der Call-Option ab. Indizien, die für das Vorliegen eines Nutzenpotenzials und damit für die Berücksichtigung der Call-Option bei der Bilanzierung des Unternehmenszusammenschlusses sprechen, sind (vgl. Ernst & Young, International GAAP 2017, Kap. 7, Abschn. 5.1.1):
- festgelegter oder bestimmbarer Optionspreis;
- Vereinbarung, dass keine Dividenden an die Anteilseigner ohne beherrschenden Einfluss ausgeschüttet werden oder
- Vereinbarung, nach der die anderen Anteilseigner lediglich eine Verzinsung iSv. Fremdkapitalgebern erhalten.
Gründe, die dagegen sprechen, dass das erwerbende Unternehmen bereits über ein Nutzenpotenzial durch die Call-Option verfügt, sind:
- unbestimmter Optionspreis oder ein Optionspreis, der dem beizulegenden Zeitwert der Anteile zum Ausübungszeitpunkt entspricht;
- Optionspreis ist abhängig von künftigen Ergebnisses oder dem Wert des Reinvermögens des Tochterunternehmens zum Ausübungszeitpunkt;
- Vereinbarung, dass vor Ausübung der Option frei über die Gewinnrücklagen verfügt werden kann, insb. für Ausschüttungen an die Gesellschafter.
Tz. 419
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Führt die Call-Option bereits zu einem Nutzenpotenzial beim erwerbenden Unternehmen, ist sie bei der Bilanzierung des Unternehmenszusammenschlusses insofern zu berücksichtigen, als dass bereits die eventuelle Ausübung der Option dargestellt wird. Hierzu ist der beizulegende Zeitwert der Verpflichtung aus der Call-Option als Teil der Gegenleistung und damit bei der Ermittlung des Goodwills zu berücksichtigen, dh. effektiv der Barwert des Ausübungspreises. Die jährliche Zuschreibung des Barwerts ist ergebniswirksam zu erfassen. Sofern die Call-Option letztlich doch nicht ausgeübt wird, hat der Konzern quasi einen Teil des Anteils am Tochterunternehmen veräußert. Im Gegenzug ist die bisher passivierte Verbindlichkeit aufzulösen. Diese "Transaktion" ist entsprechend den allgemeinen Regelungen zur Bilanzierung von Transaktionen mit Anteilseignern ohne beherrschenden Einfluss zu bilanzieren (vgl. Tz. 426).
Tz. 420
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Sofern die Call-Option noch kein Nutzenpotenzial beim erwerbenden Unternehmen begründet, sind die Vereinbarungen entsprechend den Regelungen in IAS 39 zu bilanzieren (IFRS 10.B91). Dies entspricht auch der Regelung in IAS 39.2(a), nach der derivative Instrumente auf Anteile an einem Tochterunternehmen gem. IAS 39 zu bilanzieren sind, sofern sie nicht die Definition eines Eigenkapitalinstruments gem. IAS 32 erfüllen (zB wenn sie keinen festgelegten Ausübungspreis haben). Im Einzelabschluss des erwerbenden Unternehmens ist die Call-Option in diesem Fall zum beizulegenden Zeitwert anzusetzen (der ggf. auch null sein kann) und Änderungen des beizulegenden Zeitwerts in den Folgeperioden ergebniswirksam zu erfassen. Dies gilt auch für einen ggf. aufzustellenden Konzernabschluss. Sofern die Call-Option ausgeübt wird, ist sie mit ihrem beizulegenden Zeitwert als Teil der Gegenleistung für den Erwerb des Anteils ohne beherrschenden Einfluss zu berücksichtigen (vgl. hierzu Tz. 426 ff.), verfällt sie dagegen, ist die Verbindlichkeit mit ihrem Buchwert aufwandswirksam zu eliminieren.