Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 114
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Wenn eine Übertragung des rechtlichen Eigentums am Leasingobjekt auf den Leasingnehmer am Ende der Leasinglaufzeit nicht verpflichtend, sondern mit Blick auf eine Kaufoption des Leasingnehmers lediglich optional ist, resultiert aus einer solchen Option regelmäßig dann ein Finance-Leasingverhältnis, wenn dem Leasingnehmer bei Abschluss des Leasingvertrags eine günstige Kaufoption iSv. IFRS 16.63 (b) gewährt wurde. Eine günstige Kaufoption meint eine Option, deren Ausübungspreis deutlich unterhalb des erwarteten beizulegenden Zeitwertes des Leasingobjekts zum Zeitpunkt der Optionsausübung liegt, sodass es zum Vertragsbeginn hinreichend sicher ist, dass der Leasingnehmer diese Option ausüben wird (IFRS 16.63 (b)). Bei einer solchen günstigen Kaufoption kann unterstellt werden, dass es für den Leasingnehmer wirtschaftlich zwingend ist, die Option auszuüben, da dieser den Vermögenswert zu einem höheren Preis als den Ausübungspreis weiterveräußern kann (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (b) Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 936f.; Findeisen, RIW 1997, S. 841; Mellwig/Sabel, in: MünchKommBilR, IAS 17, Tz. 58). Der Leasinggeber wird dementsprechend ungeachtet seiner Position als rechtlicher Eigentümer – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über den Vermögenswert erhalten, sodass voraussichtlich im Wesentlichen alle Chancen und Risiken des Leasingobjekts auf den Leasingnehmer übergehen und konsequenterweise auch dem Leasingnehmer das wirtschaftliche Eigentum zugeordnet werden sollte. Zudem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Leasinggeber die Vereinbarung einer günstigen Kaufoption bei der Kalkulation der laufenden Leasingzahlungen über die Leasingdauer antizipiert hat.
Tz. 115
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Der Ausübungspreis stellt jenen Preis dar, den der Leasingnehmer an den Leasinggeber leisten muss, wenn er die Option ausübt. Dieser Preis wird regelmäßig vertraglich kodifiziert sein, wenngleich dieser um weitere wertbeeinflussende Faktoren zu arrondieren ist. So sollten Kosten bspw. für den Abbau oder den Rücktransport des Leasingobjekts bei der Wertermittlung genauso berücksichtigt werden (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (b) bspw. Lorenz, 2005, S. 699) wie Vertragsstrafen für den Fall der Nichtausübung der Kaufoption (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (b) bspw. Kümpel/Becker, DStR 2006, S. 1472).
Tz. 116
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Zur Ermittlung des erwarteten beizulegenden Zeitwertes kann in Abhängigkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts sowohl auf die Wiederbeschaffungskosten als auch auf den Veräußerungspreis abgestellt werden (vgl. ausführlich Kümpel/Becker, 2006, S. 25–30), da hier die Vorgaben des IFRS 13 aufgrund des dort verankerten scope out explizit nicht vorrangig sind (IFRS 13.6 (b); vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 263). Allerdings wird der erwartete beizulegende Zeitwert – insbesondere bei einer langen Leasinglaufzeit – oftmals nur unter hoher Unsicherheit über die künftige Wertentwicklung des Leasingobjekts und damit auf Basis erheblicher Ermessensspielräume zu bestimmen sein (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (b) Esser, StuB 2005, S. 432; Küting/Hellen/Brakensiek, BB 1998, S. 1469; Riedel-Stegner, 2006, S. 102f.; Vater, DStR 2002, S. 2095; Kümpel/Becker, DStR 2006, S. 1473). Insbesondere bei Großanlagen, Immobilien und weiterem Big-Ticket-Leasing wird es oftmals notwendig sein, ein unabhängiges Bewertungsgutachten einzuholen (vgl. auch im Kontext von IAS 17.10 (b) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 38).
Aus Vereinfachungsgründen ist es uE grundsätzlich nicht zu beanstanden (zu den damit verbundenen Vorbehalten vgl. Tz. 117), wenn hier in Anlehnung an den Leasingerlass der deutschen Finanzverwaltung über bewegliche Wirtschaftsgüter im Kontext der Vollamortisation auf den Restbuchwert des Leasingobjekts abgestellt wird, der sich bei Anwendung der linearen Abschreibungsmethode zum Zeitpunkt der Veräußerung ergibt (vgl. BMF, Schreiben vom 19.04.1971, IV B/2 – S 2170–31/71, BStBl. I 1971, S. 264f.; glA Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 275; Morfeld, in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 22, Tz. 52; im Kontext von IAS 17.10 (b) Findeisen, RIW 1997, S. 841; Mellwig/Weinstock, DB 1996, S. 2352; Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 937; allgemein zu den Leasingerlassen der deutschen Finanzverwaltung Baetge/Kirsch/Thiele, 2019, S. 651–657). Dabei sollte allerdings nicht auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer iSd. amtlichen AfA-Tabelle abgestellt werden, vielmehr ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts heranzuziehen (wohl glA Kümpel/Becker, 2006, S. 30; ähnlich auch Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 937, Fn. 44). Zudem ist als Abschreibungsmethode eine andere als die lineare zu wählen, wenn dadurch der Abnutzungsverlauf des Leasingobjekts unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten besser widergespiegelt wird.
Sollten im Vergleich zu dem s...