Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Fabian Graupe
Tz. 85
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Gemäß IAS 28.32 hat der Erwerber zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs seinen Anteil an den identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden des assoziierten Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens zu bestimmen. In einem ersten Teilschritt ist zu analysieren, welche Vermögenswerte und Schulden des assoziierten Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens aus der Sicht des Investors zu berücksichtigen sind. In einem zweiten Schritt sind die Elemente des so ermittelten Mengengerüstes neu zu bewerten.
Tz. 86
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Gemäß dem Wortlaut des IAS 28.32 ist bei der Bewertung des Anteils des Investors am identifizierbaren Reinvermögen des assoziierten Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens auf die beizulegenden Zeitwerte iSv. IFRS 13 abzustellen. Es werden daher die vorhandenen stillen Reserven und Lasten – soweit bekannt – vollständig aufgedeckt, die den auf den Investor entfallenden Anteil am Eigenkapital des Beteiligungsunternehmens erhöhen bzw. mindern. Zu beachten ist, dass stets sämtliche vorhandenen stillen Reserven und Lasten anteilig aufzudecken sind. Eine Begrenzung auf die Höhe des aktiven oder passiven Unterschiedsbetrags besteht dabei nicht. Denn ein zunächst ermittelter aktiver Unterschiedsbetrag kann durch die Aufdeckung stiller Reserven zu einem passiven Unterschiedsbetrag werden, wenn die stillen Reserven die Differenz aus Anschaffungskosten und anteiligem Reinvermögen zu Buchwerten übersteigen. Zudem ist es möglich, dass ein zunächst ermittelter passiver Unterschiedsbetrag durch die Aufdeckung stiller Reserven über die Anschaffungskosten hinaus erhöht wird (vgl. IDW (Hrsg.), 1995, S. 327).
Tz. 87
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Bei der Bilanzierung von Anteilen an assoziierten Unternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen ist zu berücksichtigen, dass vielfach nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen, um für die überwiegende Zahl der Vermögenswerte verlässliche Zeitwerte ermitteln zu können. Wird bspw. ein assoziiertes Unternehmen von einem Mehrheitsaktionär beherrscht, ist der Investor der Anteile am assoziierten Unternehmen möglicherweise nicht ausreichend über die Finanz- und Geschäftsplanung des assoziierten Unternehmens informiert und weiß zB nicht, welche Anlagegegenstände kurzfristig verkauft werden sollen. Vereinfachungen bei der Bestimmung der beizulegenden Zeitwerte sind daher idR unvermeidbar. Bei derartigen Problemen bei der Bestimmung der beizulegenden Zeitwerte können die stillen Reserven und Lasten lediglich für bestimmte Bilanzposten (zB Finanzanlagen) aufgedeckt werden.
Tz. 88
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Derartige Fälle mangelnder Informationen sind abzugrenzen von solchen Fällen, in denen die aufzudeckenden stillen Reserven und Lasten in der Summe unwesentlich sind. Die Aufdeckung kann dann vollständig unterbleiben. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit der Neubewertung ist vor allem die Ertragswirkung entscheidend, da die Vermögenswerte und Schulden des assoziierten Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens nicht in den Abschluss des beteiligten Unternehmens übernommen werden, sondern nur die identifizierten stillen Reserven und Lasten in den Folgeperioden erfolgswirksam werden, bspw. wenn dem abnutzbaren Sachanlagevermögen zugeordnete stille Reserven über dessen Nutzungsdauer abgeschrieben werden.
Tz. 89
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Fraglich ist, ob jeder identifizierbare Vermögenswert bzw. jede Schuld des assoziierten Unternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens zwingend zum anteiligen beizulegenden Zeitwert zu bewerten ist, oder ob gewisse Bilanzposten von diesem Bewertungsgrundsatz ausgeschlossen sind. Für Unternehmenszusammenschlüsse sieht IFRS 3 bestimmte Ausnahmen von der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert im Rahmen der Neubewertung vor, um Probleme, die aus der Zeitwertbewertung resultieren, zu vermeiden. Die Ausnahmen betreffen ua. latente Steuern sowie zur Veräußerung gehaltene langfristige Vermögenswerte und aufgegebene Geschäftsbereiche (vgl. hierzu ausführlich IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 241–252). Da die aus der Zeitwertbewertung resultierenden Probleme auch bei einem Erwerb von Anteilen an einem assoziierten Unternehmen oder einem Gemeinschaftsunternehmen bestünden, sind uE auch die in IFRS 3 genannten Ausnahmen von der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert bei einem Unternehmenszusammenschluss zu berücksichtigen (glA Hayn, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 36, Tz. 40).
Tz. 90
Stand: EL 35 – ET: 6/2018
Wenn ein Anteilserwerb an einem assoziierten Unternehmen oder einem Gemeinschaftsunternehmen kurz vor dem Abschlussstichtag erfolgt, so kann bei größeren Akquisitionsobjekten das Problem entstehen, dass im Erwerbszeitpunkt noch nicht alle notwendigen Informationen vorliegen und/oder die Identifizierung und Neubewertung des anteilig erworbenen Reinvermögens längere Zeit in Anspruch nimmt und am Abschlussstichtag noch nicht abgeschlossen ist. Für solche Sachverhalte sollte die Neubewertung des identifiz...