Dr. Stefan Bischof, Dipl.-Oec. Klaus Wendlandt
Tz. 102
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Eine Schuld ist nach IAS 1.69 dann als kurzfristig zu klassifizieren, wenn
- die Erfüllung innerhalb des gewöhnlichen Verlaufs des Geschäftszyklus des Unternehmens erwartet wird (zum Begriff Geschäftszyklus vgl. Tz. 90f.);
- die Schuld primär zu Handelszwecken gehalten wird;
- die Erfüllung der Schuld innerhalb von zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag erwartet wird; oder
- das Unternehmen kein uneingeschränktes Recht hat, die Erfüllung der Schuld um mindestens zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag zu verschieben. Kreditvereinbarungen, die nach Wahl der Gegenpartei eine Erfüllung der Verbindlichkeit durch Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten vorsehen, berühren nicht die Klassifizierung der Verbindlichkeit.
Zu den ab 2023 anzuwendenden Neuregelungen zur Abgrenzung von lang- und kurzfristigen Verbindlichkeiten vgl. Tz. 215.
Zu den kurzfristigen Schulden, die normalerweise Teil des kurzfristigen Betriebskapitals (working capital) sind, gehören Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, Rückstellungen (accruals) für kurzfristig fällige Leistungen an Arbeitnehmer und andere betriebliche Kosten. Diese Schulden sind als kurzfristig zu klassifizieren, auch wenn sie nach zwölf Monaten fällig sind, wenn also im konkreten Fall der Geschäftszyklus zwölf Monate übersteigt (IAS 1.70). Das heißt, bei diesen Schulden ist auf denselben Geschäftszyklus als Abgrenzungskriterium für die Kurz- bzw. Langfristigkeit abzustellen wie bei Vermögenswerten (vgl. Tz. 90 und 97f.). Ist der Geschäftszyklus nicht eindeutig identifizierbar, ist von zwölf Monaten auszugehen.
Tz. 103
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Andere kurzfristige Schulden werden nicht im Rahmen des normalen Geschäftszyklus erfüllt, sondern sind innerhalb von zwölf Monaten fällig oder werden primär für Handelszwecke gehalten. Beispiele für als kurzfristig auszuweisende Schulden iSv. IAS 1.69 (b) sind manche finanzielle Verbindlichkeiten, die die Definition von zu Handelszwecken gehalten in IFRS 9 erfüllen, Kontokorrentkredite, der kurzfristige Teil langfristiger finanzieller Verbindlichkeiten, Dividendenverbindlichkeiten, Ertragsteuerverbindlichkeiten und andere nicht operative Verbindlichkeiten (IAS 1.71). Finanzielle Verbindlichkeiten, die der langfristigen Finanzierung dienen, dh. nicht Teil des kurzfristigen Betriebskapitals sind, das im Rahmen des normalen Geschäftszyklus verwendet wird, sind grundsätzlich als langfristig zu klassifizieren, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten fällig sind (zu Detailregelungen vgl. Tz. 106ff.). Bei diesen Schulden ist mithin auf die Zwölfmonatsfrist als Abgrenzungskriterium für die Kurz- bzw. Langfristigkeit abzustellen.
Tz. 104
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Im Umkehrschluss zu Tz. 102 (vgl. Tz. 102) sind alle anderen Schulden vorbehaltlich der nachfolgenden Sondervorschriften als langfristige Schulden zu klassifizieren; eine Positivabgrenzung wird wie bei den langfristigen Vermögenswerten nicht vorgenommen. Latente Steuerschulden iSv. IAS 12 sind aufgrund der Sonderregelung des IAS 1.56 stets als langfristige Schulden auszuweisen. Ebenso sieht IFRS 14.21 eine Sonderregelung für den Ausweis von regulatorischen Abgrenzungsposten vor (vgl. im Detail dazu IFRS-Komm., Teil B, IFRS 14, Tz. 47ff.).
Weder IAS 19.133 noch IAS 1 spezifizieren, ob Pensionsverpflichtungen in voller Höhe als langfristig auszuweisen sind oder ob entsprechend den zu leistenden Zahlungen eine Aufteilung zwischen kurz- und langfristig vorzunehmen ist. Grund hierfür ist, dass eine solche Aufteilung teilweise nur willkürlich vorgenommen werden kann (vgl. IAS 19.BC200). Die zwischenzeitlich zurückgenommene DRSC Interpretation 1 (IFRS), Tz. 32 führte dazu aus, dass eine Aufteilung nicht vorgenommen werden muss. Wird eine Aufteilung nicht vorgenommen, sind die Verpflichtungen insgesamt den langfristigen Schulden zuzuordnen. Andernfalls ist die Vorgehensweise bei der Zuordnung zu den langfristigen und kurzfristigen Schulden im Anhang zu erläutern; dies gilt insbesondere auch für fondsgedeckte Pläne, dh. hinsichtlich der sachgerechten Zuordnung von Planvermögen (vgl. die zwischenzeitlich zurückgenommene DRSC Interpretation 1 (IFRS), Tz. 33).
Tz. 105
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
IAS 1.69 (d) stellt klar, dass Kreditvereinbarungen, die nach Wahl der Gegenpartei eine Erfüllung der Verbindlichkeit durch Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten vorsehen, nicht die Klassifizierung der Verbindlichkeit berühren. Entsprechend führen bspw. Vereinbarungen bei Wandelschuldverschreibungen, bei denen die Gegenpartei die jederzeitige Möglichkeit hat, eine Umwandlung in Eigenkapital zu verlangen, nicht zum Ausweis der Verbindlichkeitskomponente als kurzfristig, wenn die Wandelschuldverschreibung an sich erst nach zwölf Monaten zur Zahlung fällig wird (zur ab 2023 anzuwendenden Neuregelung vgl. Tz. 215). Wenn dagegen eine Verbindlichkeit zwar nicht innerhalb von zwölf Monaten fällig ist, der Darlehensgeber aber jederzeit ohne Grund die Rückzahlung verlangen kann, ist dies...