Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 14
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Wie oben ausgeführt enthielt der als Interimsstandard konzipierte IFRS 4 noch keine spezifischen Anforderungen für die Bewertung von Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen. Die weitgehende Fortführung der bisherigen nationalen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften für Versicherungsverträge führte in der Berichterstattungspraxis zu einer ausgesprochen heterogenen Koexistenz verschiedener Rechnungslegungsstandards (u. a. US-GAAP und HGB), was die Analyse und Vergleichbarkeit für Investoren, Analysten und andere Berichtsadressaten unverändert erschwerte.
Tz. 15
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Durch die Bewertung der Kapitalanlagen zu Marktwerten im Rahmen des verpflichtend anzuwendenden IAS 39 einerseits und der Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen zum (undiskontierten) Erfüllungsbetrag anderseits, ergab sich im IFRS-Abschluss regelmäßig eine deutlich erhöhte Eigenkapitalvolatilität. Dieser drastische accounting mismatch wurde zuletzt besonders deutlich durch den sehr dynamischen Zinsanstieg im Laufe des Jahres 2022. Infolgedessen reduzierte sich das Eigenkapital in den IFRS-Abschlüssen vieler Versicherer drastisch, ohne dass dies der ökonomischen Realität (zB abgebildet in Solvency II) entsprach oder die Effektivität des Asset-Liability-Management angemessen widerspiegelte (vgl. Surrey, 2006, S. 240).
Insgesamt wurde die Einführung des IFRS 4 von den meisten Analysten daher auch nicht als wesentliche Verbesserung empfunden (vgl. Samutkina, S. 57).
Tz. 16
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Unmittelbar nach Veröffentlichung des IFRS 4 Phase I hatte der IASB daher eine Insurance Working Group ins Leben gerufen, die den IASB bei der Ausarbeitung der endgültigen IFRS-4-Regelungen unterstützt. Im Rahmen der Phase II des insurance projects, die im September 2004 startete, erfolgte sodann die Entwicklung des heutigen IFRS 17. Dies geschah sogar zunächst im Rahmen eines joint project in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Standardsetter FASB. Dieser verließ jedoch im Februar 2014 das gemeinsame Projekt, um sich auf die Weiterentwicklung der Versicherungsbilanzierung nach US-GAAP zu fokussieren (vgl. Deloitte, 2014, S. 1).
Tz. 17
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Die wesentlichen Ziele bei der Entwicklung eines neuen Standards waren vor allem eine deutliche Verbesserung im Hinblick auf die
- Klarheit und Transparenz,
- Vergleichbarkeit und
- Relevanz und Nähe zur ökonomischen Realität,
der unverändert undurchsichtig und uneinheitlich wahrgenommenen Finanzberichterstattung von Versicherungsunternehmen im internationalen Kontext.
Durch die grundlegend veränderte Abbildung von Versicherungs- und Rückversicherungsverträgen in der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, die durch sehr umfangreiche und detaillierte Informationen im Anhang ergänzt werden, sollte ein einfacherer und realitätsnäherer Einblick in die Performancetreiber der Unternehmen ermöglicht werden.
Gleichzeitig sollte nach Auffassung des IASB die Vergleichbarkeit der Abschlüsse von kapitalmarktorientierten Versicherungsunternehmen erleichtert werden, sowohl länderübergreifend untereinander als auch im Vergleich zu anderen Branchen. Dadurch sollte schließlich auch den Generalisten, also nicht den vor allem auf Versicherungen spezialisierten Investoren, Analysten und Berichtsadressaten, das Verständnis der Versicherungsbilanzierung erleichtert und potenzielle Investitionsbarrieren abgebaut werden (vgl. Kabureck, 2018).
Tz. 18
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Die aus Sicht des IASB wesentlichen Mängel der bisherigen Berichterstattung unter IFRS 4 sowie die mit der Einführung des IFRS 17 verfolgten Ziele lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. IFRS Foundation, Fact Sheet, 2017):
Vergleichbarkeit
IFRS 4 – Mangelnde Vergleichbarkeit |
IFRS 17 – Einheitliches Rahmenwerk |
Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen in verschiedenen Ländern |
Rechnungslegung für Versicherungsverträge unterscheidet sich erheblich zwischen Unternehmen in verschiedenen Ländern |
Einheitliche Rechnungslegung für alle Versicherungsverträge |
Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Versicherungsverträgen |
Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsgrundsätze für dieselbe Art von Versicherungsverträgen, die in verschiedenen Ländern abgeschlossen wurden |
Einheitliche Bewertung innerhalb einer Gruppe, dadurch Vergleich der Ergebnisse nach Produkten und geografischen Gebieten deutlich erleichtert |
Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Branchen |
Ausweis erhaltener Barmittel oder Einlagen teilweise als Umsatzerlöse; unterscheidet sich von der Rechnungslegungspraxis in anderen Branchen |
Die Umsatzerlöse spiegeln ausschließlich den angebotenen Versicherungsschutz wider (dh. zB ohne Einlagenkomponenten) |
Tab. 1: Ziele des IFRS 17: Vergleichbarkeit
Transparenz und Klarheit
IFRS 4 – Wenig transparente oder entscheidungsrelevante Informationen |
IFRS 17 – Höhere Transparenz und entscheidungsrelevantere Informationen |
Informationen über Ansatz/Bewertung von Versicherungsverpflichtungen |
Bewertung teilweise a... |