Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 248
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die Vorschriften zur Wertminderungsprüfung wurden gegenüber der Vorgängerregelung grundlegend überarbeitet (für einen Vergleich mit der Vorgängerreglung unter IAS 39 s. Ernst & Young LLP 2018, S. 3776ff.). Nach IAS 39.59 durfte eine Wertberichtigung erst und nur dann vorgenommen werden, wenn objektiv nachweisbar ein Verlust eingetreten war (sog. incurred loss) – was im strengen Sinne dann eigentlich keine Wertberichtigung (impairment) mehr, sondern bereits eine Abschreibung (write-off) ist. Den Ansatz zukünftig erwarteter Verluste (expected losses) versagte der IASB explizit, so wahrscheinlich ihr Eintritt auch sein mochte (vgl. IAS 39.IG.E.4.6; das galt insbesondere für eine unmittelbare Erfassung einer Wertminderung bei Eingehung des Geschäfts, vgl. IAS 39.IG.E.4.2). Während der Finanzmarktkrise entzündete sich an diesem Verbot massive Kritik; dem Board wurde vorgehalten, dass Verluste, mit denen aufgrund von Vergangenheitserfahrungen hinreichend sicher zu rechnen sei, nicht frühzeitig in ausreichender Höhe reserviert werden dürften und vielmehr gerade dann schlagend würden, wenn man dieses am wenigsten gebrauchen könnte. Der Vorwurf, die Bilanzierung habe krisenverstärkend – prozyklisch – gewirkt, stand über Monate in der Presse lesen (für einen historischen Abriss der Entwicklung s. Ernst & Young LLP 2018, S. 3770ff.; Flick/Gehrer/Meyer, IRZ 2010, S. 222).
Tz. 249
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Abschreibungen wirken prozyklisch, und zwar immer (s. a. Barth/Landsman, EAR 2010, S. 417) – das gilt nicht nur für Finanzinstrumente: Auf einer durch einen Brand zerstörten Maschine können keine Produkte mehr gefertigt und umgesetzt werden; geringere Umsätze gehen mit der Abschreibung der Maschine einher – hat sich deshalb jemals jemand kritisch geäußert? Wenn ein vor einigen Jahren erworbenes Tochterunternehmen nicht in der Weise performed, wie man sich das vorstellt, fehlen nicht nur die Beteiligungsergebnisse; es muss zudem uU auch noch der angesetzte Geschäfts- oder Firmenwert wertberichtigt werden. Umgekehrt ist noch nie jemand auf die Idee gekommen, eine Maschine bereits bei Zugang voll abzuschreiben, weil es doch infolge von Erfahrungen absehbar sei, dass sie an Wert verlieren werde. Man kann eigentlich nur darüber schmunzeln, wenn diese Elementarzusammenhänge der Bilanzierung ausgerechnet bei Finanzinstrumenten in Frage gestellt werden. Der Ruf nach einer antizyklischen Risikovorsorge, sprich: möglichen Glättungsmechanismen, lässt daher beim IASB folglich auch nicht gerade grenzenlose Euphorie aufkommen.
Tz. 250
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Konzeptionell müsste ein Wertberichtigungsmodell eigentlich der Wahl des für ein Finanzinstrument vorgesehenen Bewertungsmaßstabs folgen. In einem Mixed Measurement Model ergibt es nur wenig Sinn, ein einheitliches Wertminderungsmodell über alle finanziellen Vermögenswerte zu legen, weil damit die mit dem zugrunde zu legenden Bewertungsmaßstab verbundene Informationswirkung konterkariert wird (zur Diskussion innerhalb des IASB s. IAS 39.BC108ff.; grundlegend auch FEE 2010, S. 6ff. und Gebhardt, IntJFSM 2008, S. 24ff.):
- Bei Finanzinstrumenten, die zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden, werden – wie der Name bereits sagt – die Anschaffungskosten fortgeschrieben. Der Blick geht also in die Vergangenheit: Der Anschaffungswert soll um bestimmte Ereignisse (Tilgungen, Auflösungen von Agien/Disagien und eben Wertminderungen), die bis zum Stichtag aufgetreten sind, fortgeschrieben werden. Für diese Finanzinstrumente ergibt ein Modell der eingetretenen Verluste (Incurred Loss Model) zweifelsohne Sinn, weil die Fortschreibung der Anschaffungswerte mit dem Stichtag endet (vgl. IAS 39.BC109; an dieser Stelle sei daran erinnert, dass die fortgeführten Anschaffungskosten in IAS 39 abweichend definiert werden und lediglich bis zum Stichtag eingetretene Verluste, nicht aber die gesamte Risikovorsorge umfassten).
- Bei Finanzinstrumenten, die zum beizulegenden Zeitwert angesetzt werden, ist die Bewertungslogik indes eine andere: Hier geht der Blick in die Zukunft – bewertet werden die zukünftig noch ausstehenden (vertraglichen oder erwarteten) Zahlungen; die Vergangenheit spielt hier keine Rolle, weil sie dem Grunde nach keine erwartungstreuen Schätzungen für die zukünftig anstehenden Zahlungen ermöglicht (Finanzwirte würden sagen, dass beizulegende Zeitwerte einem Random Walk folgen, einem zufallsabhängigen Pfad). Diese Finanzinstrumente mit einem Modell der eingetretenen Verluste auf Wertminderungen zu untersuchen, ergibt daher keinen Sinn; vielmehr wäre es sachgerecht zu untersuchen, in welchem Ausmaß zukünftig erwartete Zahlungen womöglich nicht eintreten – das entspräche einem Modell der erwarteten Verluste (Expected Loss Model).
Tz. 251
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die vorstehende Argumentation bezieht ihre Aussagekraft allerdings ausschließlich aus dem Bilanzansatz und vernachlässigt die damit einhergehenden Effekte in der GuV: Eine Bewertung zu fo...