Prof. Dr. Hans-Joachim Böcking, Roman Mala'ebeh
Tz. 165
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Seit seiner Verabschiedung wurde IFRS 5 bereits mehrfach punktuell geändert. Aufgrund der Komplexität des Standards sowie der nach wie vor vorhandenen zahlreichen Auslegungsfragen bleibt zu erwarten, dass das IASB zukünftig weitere Änderungen an IFRS 5 vornehmen wird.
Tz. 166
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Eines der obersten Ziele des IASB war es, eine Konvergenz zwischen den Rechnungslegungsstandards weltweit herbeizuführen (IFRS 5.IN2). Der Ausgangspunkt dieses Ziels, bestehende Unterschiede zwischen den Rechnungslegungssystemen IFRS und US-GAAP zu beseitigen, bildet das sog. "Norwalk Agreement" des IASB und des FASB aus dem Jahre 2002. Eine Maßnahme des Projekts ist die gegenseitige Begutachtung erlassener Standards, um sie in das eigene Rechnungslegungssystem zu übernehmen (IFRS 5.IN3). Diese Vorgehensweise impliziert, dass die neueren Standards die jeweils beste Lösung von Rechnungslegungssachverhalten darstellen (IFRS 5.BC3). IFRS 5 war der erste Standard, der aus diesem gemeinsamen Arbeitsprogramm resultierte, der jedoch trotz der Konvergenzbemühungen Unterschiede zum entsprechenden US-GAAP Standard enthält.
Tz. 167–174
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
(einstweilen frei)
Tz. 175
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Mit dem Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) wurde 2004 das zweistufige Enforcement-System, bestehend aus der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung e. V. (DPR) auf der ersten Stufe und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf der zweiten Stufe verabschiedet (vgl. hierzu bereits kritisch Böcking, ZfbF 2003, S. 683–706). Seit Implementierung des Enforcement-Systems im Jahr 2005 müssen betroffene Unternehmen nach Fehlerfeststellungen eine Beschreibung der Fehlerfeststellung im Bundesanzeiger (BAnz) veröffentlichen (vgl. ausführlich Böcking/Gros/Worret, DK 2015, S. 265ff.). Durch eine Betrachtung dieser nach § 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG (bzw. § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG aF) im BAnz veröffentlichten Enforcement-Fehlermitteilungen kann die Fehlerhäufigkeit bzw. -anfälligkeit des IFRS 5 eingeschätzt werden.
Seit Einrichtung des Enforcement-Systems im Jahr 2005 wurden inzwischen ca. 1.500 Prüfverfahren abgeschlossen, wovon in ungefähr 300 Fällen eine fehlerhafte Rechnungslegung festgestellt wurde (vgl. DPR, 2021, S. 4). Hiervon betreffen lediglich 13 Fehlerveröffentlichungen (weniger als 5 %) Sachverhalte, die im Zusammenhang mit der Anwendung des IFRS 5 standen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle handelte es sich um Fehler bei der Klassifizierung von aufgegebenen Geschäftsbereichen sowie deren gesonderten Darstellung in der Bilanz und der Gesamtergebnisrechnung, zudem wurden oftmals Anhangangaben unterlassen. Jedoch gab es kaum veröffentlichte Fehlermitteilungen, die sich auf Bewertungsfehler beziehen (vgl. für eine ausführliche Analyse der bis März 2016 veröffentlichten Enforcement-Fehlerfeststellungen bei der Anwendung des IFRS 5 Böcking/Worret, DK 2016, S. 119–127). Die Betrachtung der Fehlerveröffentlichungen bietet zwar die Möglichkeit opportunistische Motive, wie zB Gewinne möglichst in der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und Verluste in den aufgegebenen Geschäftsbereichen auszuweisen. Aus externer Perspektive kann jedoch nicht beurteilt werden, inwiefern es sich bei den zugrunde liegenden Fehlern um Ergebnisse bilanzpolitisch gesteuerter Maßnahmen durch die Bilanzersteller oder doch um tatsächliche Bilanzierungsfehler im Sinne einer unbewusst fehlerhaften Anwendung des IFRS 5 handelt (vgl. Böcking/Worret, DK 2016, S. 126). Zudem lässt sich vermuten, dass die seit der Implementierung des zweistufigen Enforcement-Systems im Jahr 2005 gesunkene Fehlerquote (vgl. Böcking/Gros/Worret, DK 2015, S. 267) auf eine Erhöhung der Rechnungslegungsqualität zurückzuführen ist (vgl. Böcking/Worret, DK 2016, S. 127). Zum einen könnte die Fehlerquote durch Lerneffekte bei den Bilanzerstellern sowie bei deren Abschlussprüfern gesunken sein. Zum anderen könnte dies auch an dem im Zeitverlauf gewonnen Erfahrungen mit dem neu eingeführten Enforcement der Rechnungslegung liegen (vgl. Böcking/Worret, DK 2016, S. 126). Dennoch fällt auf, dass seit der 2016 in Kraft getretenen Überarbeitung des IFRS 5 keine Fehlerfeststellungen für die darauffolgenden Geschäftsjahre veröffentlicht wurden. Ob dies ebenfalls auf die erwähnten Lerneffekten oder auf die Überarbeitung des IFRS 5 zurückzuführen ist, lässt sich durch eine reine Betrachtung der im BAnz veröffentlichten Fehlerfeststellungen nicht beurteilen.
Inwiefern künftige Änderungen des IFRS 5 bzw. das durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) vom 03.06.2021 eingeführte einstufige Enforcement-System (§ 106ff. WpHG) die Rechnungslegungsqualität hinsichtlich des IFRS 5 noch weiter verbessern können, wird auch zukünftig anhand einer Analyse der im Bundesanzeiger veröffentlichten Enforcement-Fehlermitteilungen ersichtlich sein (zur Wirksamkeit von Enforcement-Systemen vgl. ausführlich Gros/Dutzi, in: FS Böcking, 2021, S. 525–534).
Tz. 176
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