Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 111
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Die im Februar 2008 erfolgten Änderungen an IAS 32 im Hinblick auf kündbare Instrumente wurden vom IASB lediglich als Zwischenlösung konzipiert. Im Vordergrund stand das Bestreben, Unternehmen unter bestimmten Umständen einen Ausweis ihres gesellschaftsrechtlichen Kapitals als Eigenkapital zu ermöglichen und weniger, eine vollkommene Neuausrichtung der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital vorzuschlagen – geschweige denn umzusetzen. Dieses war – sofern überhaupt – einem längerfristig angelegten Projekt von IASB und FASB vorbehalten.
Tz. 112
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Für das Verständnis und die Beurteilung der nachfolgenden Ausführungen ist ein knapper Rückblick auf die Bilanzierung von Finanzinstrumenten in den USA unerlässlich. Das Finanzinstrumenteprojekt des FASB wurde Mitte der Achtzigerjahre eingeleitet und bestand ursprünglich aus drei Abschnitten (vgl. stellvertretend Barckow 2004, S. 117 ff. mwN.): den Teilprojekten zu Ausweis und Offenlegung von Finanzinstrumenten, zu Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten sowie zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital. Aus den ersten beiden Teilabschnitten sind mittlerweile mehrere Verlautbarungen hervorgegangen. Zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital steht eine umfassende Regelung dagegen nach wie vor aus – es gibt in der US-amerikanischen Rechnungslegung keine IAS 32 vergleichbare Verlautbarung. Zwar war bereits 1990 ein Diskussionspapier erschienen, in dem die entscheidenden Fragen aufgeworfen und erste Lösungsansätze aufgezeigt wurden. Bis heute werden Ausweisfragen aber im Wesentlichen kasuistisch geregelt und ansonsten aus dem Rahmenkonzept abgeleitet. Erst im Jahr 2004 verständigten sich IASB und FASB, die Thematik fortan gemeinsam anzugehen. Da der FASB aufgrund der steigenden Emissionsvolumina immer komplexerer hybrider Finanzierungsformen danach trachtete, möglichst schnell einen Bilanzierungsvorschlag in die Diskussion einzubringen, der IASB in seinen Überlegungen aber noch weit zurücklag – das Projekt war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in das aktive Arbeitsprogramm aufgenommen worden –, beschlossen die Boards, das Projekt in modifizierter Form abzuarbeiten: Man kam überein, den FASB zunächst allein mit der Erstellung eines Diskussionspapiers zu betrauen und das Projekt aktiv erst ab der sich daran anschließenden Phase der Erörterung der eingehenden Stellungnahmen gemeinsam durchzuführen.
Tz. 113
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Der amerikanische Standardsetzer brachte das Diskussionspapier (Preliminary Views, PV) mit dem Titel Financial Instruments with Characteristics of Equity im November 2007 heraus. Der IASB veröffentlichte das Papier drei Monate später mit einem zusätzlichen Kranz von an die Adressaten gerichteten Fragen, der seine Begründung in der grundlegend anderen Ausgangssituation nach IFRS hat. In dem Papier stellte der FASB drei Ansätze dar, von denen er einen als den präferierten kennzeichnete und die anderen im Anhang darstellte (für eine eingehendere Darstellung der drei Ansätze s. Schmidt 2008, S. 235 ff.; ergänzend Pawelzik 2006, S. 155 ff.). Bei diesen Ansätzen handelt es sich um
- den Basic Ownership Approach (vgl. Tz. 114),
- den Ownership-Settlement Approach (vgl. Tz. 117) sowie
- den Reassessed Expected Outcomes (REO) Approach (vgl. Tz. 118).
Tz. 114
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Der Basic Ownership Approach (etwa: Ansatz des grundlegenden Eigentums) stellte den radikalsten Ansatz und zugleich die vom FASB präferierte Vorgehensweise dar. Der Ansatz fußt auf dem Gedanken, dass Eigenkapital mit einem Residualanspruch auf das Vermögen eines Unternehmens verbunden ist. Diejenigen, die einen derartigen Anspruch begründende Instrumente halten, werden als die Eigentümer des Unternehmens betrachtet. Alle anderen Kapitalgeber, die das Reinvermögen durch ihren Anspruch mindern, werden als Fremdkapitalgeber angesehen (PV.16). Der FASB setzte damit ein neues Trennkriterium an die Stelle des bisherigen: Statt darauf abzuheben, dass der Emittent nicht zur Auskehrung finanzieller Vermögenswerte verpflichtet sei (Ansatz von IAS 32), würde nunmehr gefragt, ob der Kapitalgeber einen Anspruch auf das Reinvermögen des Unternehmens besitze. Dies wird unterstellt, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind (PV.18):
1) |
Der Kapitalgeber besitzt einen Anspruch auf einen Teil des Unternehmensvermögens, würde aber im Falle einer hypothetischen Liquidation zum Zeitpunkt der Klassifizierung keiner anderen Kapitalform im Rang vorgehen. |
2) |
Der Kapitalgeber besitzt einen beteiligungsproportionalen Anspruch auf das Vermögen des Unternehmens, aber erst, nachdem alle höherrangigen Ansprüche befriedigt worden sind. |
Tz. 115
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Der FASB betonte, dass nach der vorstehenden Abgrenzung nicht zwangsläufig sämtliche Anteile, die rechtlich Eigentumsrechte an einem Unternehmen begründen, auch bilanziell als Eigenkapitalinstrument ausgewiesen würden (PV.22 ff.). Obgleich sich diese Aussage zunächst nur auf den ame...