Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Walther Busse von Colbe, Marcel Kottenstein
Tz. 36
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
Der Abschluss eines Unternehmens, dessen funktionale Währung die eines Hochinflationslandes ist, muss gem. IAS 29.8 in Maßeinheiten zum Abschlussstichtag ausgedrückt werden. Diese Anforderung gilt unabhängig davon, ob der Abschluss auf historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten (historical cost) oder auf Tageswerten (current cost) basiert. Insbesondere Abschlüsse auf der Basis historischer Anschaffungs- und Herstellungskosten werden ungeachtet der Änderungen des allgemeinen Preisniveaus oder bestimmter Preissteigerungen der angesetzten Vermögenswerte oder Schulden aufgestellt (IAS 29.6). Eine Anpassung dieser Abschlüsse wird daher als erforderlich erachtet, um anstelle einer bloßen Addition von miteinander nicht vergleichbaren Wertgrößen ein ökonomisch sinnvolles Rechenwerk bereitzustellen, das – bereinigt um etwaige Scheingewinne – ein reales Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens abbildet und einen entscheidungsrelevanten Informationswert für ihre Adressaten besitzt (im Einzelnen zum Problem nominaler Rechenwerke in Hochinflationsländern vgl. Busse von Colbe, in: HWB, S. 4423f.; Lück/Jung, BFuP 1991, S. 276ff.; Wiedmann/Euler, BFuP 1991, S. 310ff.; Seicht, BFuP 1996, S. 350; Franz, BFuP 1991, S. 265ff.).
Tz. 37
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
Die Anpassung wird dadurch erreicht, dass Abschlussposten, die nicht die Kaufkraftverhältnisse am Abschlussstichtag widerspiegeln, mithilfe eines allgemeinen Preisindexes inflationiert, dh. auf das Preisniveau am Abschlussstichtag hochgerechnet werden (IAS 29.11). Die Anpassung richtet sich daher auf alle Abschlussposten, die zu ihren historischen (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. zu ihren historischen Transaktionskosten (so bspw. einzelne Ertrags- oder Aufwandspositionen) bewertet werden. Kein Anpassungsbedarf besteht dagegen bei solchen Posten, die zu Tageswerten am Abschlussstichtag, so bspw. zum Nettoveräußerungswert und zum beizulegenden Zeitwert (IAS 29.12–14), angesetzt sind. Die Anpassung umfasst nicht nur die Bilanzposten, sondern auch die Posten der GuV bzw. der Gesamtergebnisrechnung und der Kapitalflussrechnung und wirkt sich entsprechend auf die Eigenkapitalveränderungsrechnung und die quantitativen Angaben im Anhang aus.
Die in IAS 1.38 geforderten Vergleichszahlen zur Vorperiode sowie alle anderen Informationen zu früheren Perioden sind gem. IAS 29.34 ebenfalls in der am Abschlussstichtag geltenden Maßeinheit anzugeben (vgl. Tz. 66).
Ein aus der Umrechnung resultierender Gewinn oder Verlust aus der Nettoposition der monetären Posten (vgl. Tz. 59f.) wird ergebniswirksam erfasst und muss in der GuV gesondert angegeben werden.
Tz. 38
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
IAS 29 ist damit nicht für eine Ergänzungsrechnung zum Nominalwertabschluss vorgesehen, wie sie seit den späten 1970er-Jahren für einige Jahre mit Inflationsraten zwischen 8 % und 20 % in Großbritannien zunächst mit SSAP 7 (1974) des ASSC, gefolgt von SSAP 16 (1980; zwischenzeitlich aufgehoben) des ASC und in den USA zunächst mit dem SFAS No. 33 (1979), ab 1986 mit SFAS No. 89 (zwischenzeitlich aufgehoben) des FASB vorgeschrieben oder zumindest empfohlen worden waren, zT allerdings nur in Form von Einzelangaben. SFAS No. 89 Financial Reporting and Changing Prices hatte indes nur Empfehlungscharakter und behandelte – ähnlich wie der inzwischen aufgehobene IAS 15 (vgl. Tz. 40) – die Frage, wie Auswirkungen von Preisänderungen auf den Jahresabschluss dargestellt werden können.
Inzwischen wurden die SFAS durch die Accounting Standards Codification (ASC) des FASB ersetzt. Gem. ASC 830–10–45–11 gilt für ausländische Tochterunternehmen, die in einem Hochinflationsland tätig sind, die Berichtswährung des unmittelbaren Mutterunternehmens als die funktionale Währung. Zur Einbeziehung in den Konzernabschluss sind deren in Landeswährung aufgestellten Abschlüsse unter Anwendung der Zeitbezugsmethode (remeasurement method) in diese funktionale Währung umzurechnen (vgl. Wiley, 2022, S. 1032f.). Eine bloße Darstellung als Ergänzungsrechnung anstelle eines angepassten Abschlusses ist nicht zulässig.
Tz. 39
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
Nach IAS 29.7 ist eine solche Ergänzungsrechnung zu einem Nominalwertabschluss anstelle eines angepassten Abschlusses ausdrücklich nicht erlaubt (not permitted). Auch wird von einer Nominalwertrechnung als Ergänzung zu einem nach IAS 29 angepassten Abschluss in IAS 29.7 abgeraten. Offenbar soll damit vermieden werden, dass zwei komplette Abschlüsse mit unterschiedlichen Jahresergebnissen und Eigenkapitalbeträgen nebeneinander publiziert werden und damit Verwirrung stiften könnten.
Tz. 40
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
Eine Begründung für das Verbot, einen indexierten Abschluss als Nebenrechnung zum nicht angepassten Abschluss zu verwenden, enthält IAS 29 zwar nicht, doch folgt es offenbar daraus, dass IAS 15 bei schwankenden Preisen freiwillige ergänzende Informationen zum Primärabschluss empfohlen hatte, wenn dieser n...