Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Eva Bracht
Tz. 1
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
IFRS 11 befasst sich mit der Bilanzierung rechtsgeschäftlicher Beziehungen von gemeinschaftlichen Vereinbarungen (joint arrangements). Geregelt werden im Einzelnen:
- die Klassifizierung von gemeinschaftlichen Vereinbarungen als gemeinschaftliche Tätigkeit (joint operation) oder Gemeinschaftsunternehmen (joint venture),
- die bilanzielle Behandlung von Anteilen eines Partnerunternehmens (joint venturer) an einem Gemeinschaftsunternehmen oder von Anteilen an den Vermögenswerten und Schulden bei einer gemeinschaftlichen Tätigkeit (im (separaten) Einzel- und Konzernabschluss der gemeinschaftlichen Betreiber (joint operators)),
- die bilanzielle Behandlung von Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Parteien und einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sowie
- die Behandlung von Anteilen eines Anteilseigners, der die gemeinschaftliche Vereinbarung nicht beherrscht.
Tz. 2
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Die Globalisierung der Weltwirtschaft und die oft schwierigen Eintrittsbedingungen in regionale Strukturen haben zur Folge, dass gemeinschaftliche Vereinbarungen va. bei der Erschließung von neuen Geschäftsfeldern, Märkten und Technologien, bei der Bündelung von wirtschaftlichen Potenzialen sowie zur Risikobegrenzung und Risikoteilung eine immer wichtigere Rolle spielen. Ein Beispiel dafür ist die im Februar 2019 beschlossene Kooperation von Daimler und BMW zur Bündelung der Mobilitätsdienstleistungsangebote der beiden Unternehmen (hier und im Folgenden vgl. Daimler AG (Hrsg.), Pressemitteilung vom 22. Februar 2019). Die beiden Gesellschaften gründeten zu diesem Zweck fünf Gemeinschaftsunternehmen, die ua. die Carsharing-Angebote der beiden Unternehmen vereinen. Durch die Kooperation soll das Know-how zusammengefasst, Entwicklungsaktivitäten schneller vorangetrieben sowie letztlich Synergien gehoben und Kosten eingespart werden (hier und im Folgenden vgl. Kyriasoglou, manager magazin 2019). Vor allem aber möchten die beiden Automobilkonzerne ihre Marktposition durch die Gemeinschaftsunternehmen vor dem Hintergrund der erstarkenden internationalen Konkurrenz sichern. Zum Aufbau des gemeinsamen Verbundes stellen die beiden Unternehmen zunächst eine Milliarde Euro zur Verfügung. Außerdem sollen in den nächsten Jahren bis zu 1.000 Arbeitsplätze durch die Gründung des Verbundes entstehen.
Tz. 3
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Traditionell haben gemeinschaftliche Vereinbarungen in Form von Arbeitsgemeinschaften va. in der Bauindustrie oder dem Großanlagenbau eine große Bedeutung. Auch im Finanzbereich in Form von Kredit- oder Emissionskonsortien, in der Öl- und Gasgewinnung sowie im Bergbau finden sich häufig gemeinschaftliche Vereinbarungen.
Tz. 4
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Zudem hat sich die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit regional va. in Japan in zahlreichen Gemeinschaftsunternehmen engagiert, um mit japanischen Partnern einen Erfolg versprechenden Markteintritt zu erreichen. Auch in China ist ein Markteintritt in gewissen Branchen (bspw. Automobil- oder Luftfahrtindustrie) bisher oftmals nur durch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit chinesischen Partnern möglich.
Tz. 5
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Man unterscheidet zwischen "echten" und "unechten" gemeinschaftlichen Vereinbarungen. Bei "unechten" gemeinschaftlichen Vereinbarungen handelt es sich dem Grunde nach um abhängige Unternehmen, die im allgemeinen Sprachgebrauch aber ebenfalls als Vereinbarungen charakterisiert werden. Diese sind im Regelfall vollzukonsolidieren (zum Tatbestand der Beherrschung vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 10, Tz. 20ff.). Im weiteren Verlauf werden "echte" gemeinschaftliche Vereinbarungen betrachtet, die in den Regelungsbereich des IFRS 11 fallen.
Tz. 6
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
IFRS 11 ersetzt den zuvor geltenden IAS 31 und die SIC 13. Hintergrund für die Erarbeitung des Standards war das Short-Term Convergence Projekt zwischen IASB und FASB, das im Rahmen des Memorandum of Understanding die Unterschiede zwischen den Rechnungslegungssystemen IFRS und US-GAAP reduzieren sollte. Ziel des Projekts war es, die Berichterstattung über gemeinschaftliche Vereinbarungen zu verbessern. IAS 31 wurde va. aus zwei Gründen durch das IASB überarbeitet. Zum einen ergab sich die Bilanzierung von gemeinschaftlichen Vereinbarungen bislang aus ihrer formalen Gestaltung, dh. aus ihrer rechtlichen Struktur, mit der Folge, dass uU Sachverhalte mit gleichem wirtschaftlichem Gehalt unterschiedlich bilanziert wurden. Zum anderen bestand nach IAS 31 das Wahlrecht, gemeinschaftlich kontrollierte Unternehmen entweder nach der Equity-Methode zu bilanzieren oder quotal einzubeziehen. Bei gleichem zugrunde liegendem Sachverhalt konnte sich deshalb die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Konzerns unterscheiden und somit die Vergleichbarkeit der Konzernabschlüsse erheblich eingeschränkt werden (IFRS 11.BC8).
Tz. 7
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Der IASB veröffentlichte im September 2007 zunächst den ED 9 Joint Arrangements. In den ...