Dr. Lothar Rieth, Dr. Matthias Schmidt
1. Zielsetzung und Hintergründe der Taxonomie
Tz. 47
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die Europäische Kommission hat im Zuge ihrer klimapolitischen Positionierung infolge des Pariser Klimaabkommens im Dezember 2019 den European Green Deal vorgestellt. Mit dem Green Deal rief die Kommission das Ziel aus, bis 2050 in der Europäischen Union die Nettoemissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und damit klimaneutral zu werden.
Tz. 48
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Um die Ausrichtung und Finanzierung des Green Deal zu unterstützen, sollen Finanzströme in "ökologisch nachhaltige" Aktivitäten umgeleitet werden.
Ein zentrales Instrument zur Erreichung der EU-Ziele ist die Erhöhung der Transparenz bezüglich "ökologisch nachhaltiger" Wirtschaftsaktivitäten durch die EU-Taxonomie. Hierfür bildet die EU-Taxonomie einen hinreichend detaillierten und trennscharfen Kriterienkatalog. Weitere Maßnahmen betreffen Low-Carbon-Benchmarks, EU-Green Bond Standard und ein EU-Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte.
Tz. 49
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Insbesondere durch die Klassifizierung, welche Wirtschaftstätigkeiten als "ökologisch nachhaltig" erachtet werden, soll Sicherheit für Investoren geschaffen und Greenwashing vermieden werden. Zur Diskussion stand auch, ob "grüne" und auch "graue" bzw. "braune" Aktivitäten eindeutig voneinander unterschieden werden sollten bzw. überhaupt können. Davon wurde mangels praktischer Durchführbarkeit zunächst Abstand genommen. Insofern werden durch die Taxonomie-Kriterien bislang nur solche Aktivitäten als "grün" identifiziert, die einen wesentlichen Beitrag zum Beispiel zum Klimaschutz leisten (häufig auch als "dunkelgrüne Aktivitäten" bezeichnet). Das bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass Aktivitäten, die nicht "ökologisch nachhaltig" im Sinne der EU-Taxonomie sind, weil sie zum Beispiel a) die Taxonomie-Kriterien nicht erfüllen oder b) bislang überhaupt keine Kriterien vorliegen, "nicht nachhaltig" oder gar "nicht zukunftsfähig" sind.
Tz. 50
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die derzeit vorliegenden EU-Taxonomie-Vorgaben umfassen (vorerst) nur Kriterien für jene Wirtschaftssektoren und Wirtschaftsaktivitäten, die das Potenzial haben, einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel zu leisten. Die Kriterien für die weiteren Umweltziele sollen nun von der Platform on Sustainable Finance ausgearbeitet werden. Für das Umweltziel Klimaschutz wurden Sektoren ausgewählt, die für 93,5 % der direkten Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich sind. Die Sektoren umfassen derzeit:
- Land- und Forstwirtschaft,
- Bestimmte Industriezweige (Zement, Aluminium, Eisen und Stahl, Chemikalien),
- Energie- und Wasserversorgung,
- Mobilität, Transport und Logistik,
- Informations- und Kommunikationstechnologien,
- Immobilienwirtschaft.
Tz. 51
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Für die zentralen Aktivitäten dieser Sektoren wurden Taxonomie-Kriterien vorgelegt. Es ist davon auszugehen, dass bislang nur für die wenigsten Unternehmen Kriterien vorliegen, die die gesamte Geschäftstätigkeit bzw. das gesamte Geschäftsportfolio abdecken.
Wirtschaftsaktivitäten sind "ökologisch nachhaltig" im Sinne der Taxonomie-VO, wenn sie
1) |
einen wesentlichen Beitrag zu einem EU-Umweltziel (derzeit Klimaschutz bzw. zur Anpassung an den Klimawandel) leisten (Substantial Contribution), nachgewiesen durch Einhaltung bestimmter Kriterien (Technical Screening Criteria), die nicht Bestandteil der EU-Taxonomie-VO sind, sondern in nachgeordneten delegierten Rechtsakten vorgelegt werden, |
2) |
die Erreichung der fünf weiteren EU-Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigen (Do No Significant Harm (DNSH) ebenfalls konkretisiert in den nachgeordneten delegierten Rechtsakten) und |
3) |
Mindestschutz für Arbeitssicherheit und Menschenrechte einhalten (minimum safeguards). |
Aktivitäten, die diese Kriterien kumulativ erfüllen, sind "ökologisch nachhaltig" im Sinne der Taxonomie-VO. In der Folge sind mit diesen Aktivitäten verbundene Umsatzerlöse, Capex und Opex zu ermitteln und zu berichten.
2. Taxonomie-bezogene Berichtspflichten realwirtschaftlicher Unternehmen
Tz. 52
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die Taxonomie-Berichtspflicht knüpft an die Aufstellungspflicht einer nichtfinanziellen Berichterstattung nach Art. 19a bzw. 29a der EU-Bilanzrichtlinie (in Deutschland umgesetzt in §§ 289bff. bzw. §§ 315bf. HGB, "CSR-RUG") an, die entsprechenden Angaben sind Bestandteile dieser nichtfinanziellen Berichterstattung (Art. 8 Abs. 1 Taxonomie-VO). Diese Artikel 19a und 29a wurden durch die EU-CSR-Richtlinie (Non-Financial Reporting Directive, NFRD) in die EU-Bilanzrichtlinie aufgenommen. Diese Vorgaben werden derzeit überarbeitet.
Tz. 53
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Der Anteil der nach der EU-Taxonomie als "ökologisch nachhaltig" anzusehenden Umsatzerlöse, Investitionsausgaben (Capital Expenditures – Capex) und Betriebsausgaben (Operational Expenditures – Opex) (Art. 8 Abs. 2 Taxonomie-VO) ist erstmals für Geschäftsjahre anzugeben, für die die entsprechende Berichterstattung am oder nach dem 1. Januar 2022 aufgestellt wird (Art. 27 Abs. 2 lit. a Taxonomie-VO). Dabei gelten für dieses e...