IDW Schreiben zum Stand der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Das IDW hat ein Schreiben veröffentlicht, in welchem die aus ihrer Sicht aktuell beobachtbaren Fehlentwicklungen bei der Regulierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgezeigt und Änderungen angemahnt werden.

Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat das Schreiben " Nur eine verlässliche und akzeptierte Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft Vertrauen in die angestrebte Transformation" am 7.10.2022  in deutscher und englischer Sprache an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium der Justiz, die Europäische Beratungsgruppe für Finanzberichterstattung (European Financial Reporting Advisory Group, EFRAG), den International Sustainability Standards Board (ISSB), die Europäische Kommission und den Sustainable Finance Beirat der Bundesregierung gesendet.

IDW unterstützt den "Green Deal" der EU

Dabei erkennt das IDW das Ziel, die Zerstörung der natürlichen Grundlagen nur durch einen deutlichen Wandel des ökonomischen Verhaltens stoppen zu können, an und steht auch grundsätzlich hinter dem von der EU im Rahmen ihres "Green Deal" eingeschlagenen Weg, dies über

  • die Erweiterung und Präzisierung der Vorgaben für die Unternehmensberichterstattung ("Sustainability Reporting"),
  • die verstärkte Nutzung des Kapitalmarktes ("Sustainable Finance") und
  • die Vorgaben für die Unternehmensführung ("Sustainable Corporate Governance")

zu erreichen.

Kritik an Standards und Umsetzungen

Aufgrund der Befassung mit den aktuell vorgelegten Standardentwürfen und Umsetzungen sind dem IDW aber einige kritische Aspekte aufgefallen, die für eine gelungene Nachhaltigkeitsberichterstattung wichtig sind und der Gefahr von "Greenwashing" vorbeugen sollen:

EU-Taxonomie-Verordnung

Bezüglich der Taxonomie-Verordnung, welche die Offenlegung von aktuellen Tätigkeiten ("grüne Umsatzerlöse") bzw. künftigen Tätigkeiten ("grüne Investments") für die Klassifikation durch die Finanzinstitute fordert, muss diese auch praktikabel, widerspruchsfrei und vergleichbar vorgenommen werden können.

Nach den aktuellen Erfahrungen, sowohl in der Finanz- als auch in der Realwirtschaft, sind hieran erhebliche Zweifel angebracht, da schon die bisher verpflichteten Unternehmen (also im Wesentlichen große kapitalmarktorientierte Unternehmen) über zahlreiche Auslegungs- und Anwendungsfragen berichten. Die Generierung von Großtabellen und zahlreichen Erläuterungen zur Offenlegung von Auslegungsfragen ist wenig zielführend und fördert kaum das notwendige "Integrated Thinking" (S. 2)


In eigener Sache: Seminartipp

Online-Seminar: EU-Taxonomie – Funktionslogik und Umsetzung in der Praxis
21.11.2022 | 10:00 Uhr (90 min.)

Mit der Taxonomie-Verordnung hat die EU ein Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten geschaffen. Für deren Klassifizierung sind zunächst 6 Umweltziele festgelegt worden, die der Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit zugrunde gelegt werden. Basierend auf diesen werden sog. technische Bewertungskriterien für die Einstufung einer Wirtschaftstätigkeit definiert.

Die Umsetzung der EU-Taxonomie in Unternehmen gestaltet sich als mehrstufiger Prozess. Allerdings offenbart sich deren Übersetzung in die Praxis vielfach herausfordernd und ist mit Anwendungsfragen sowie Auslegungsunsicherheiten verbunden.

Zur Anmeldung

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)

Bezüglich des Entwurfs der neuen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) erscheinen dem IDW die dazu von EFRAG vorgelegten 13 Entwürfe deutlich zu granular und zwingen die Unternehmen zur Erhebung einer Vielzahl von Detailangaben. Hier sieht das IDW die Kosten- und Nutzenaspekte nicht eingehalten, zumal die neuen Berichterstattungspflichten in die Reportingsysteme der Unternehmen integriert werden müssen, was zeitlich gerade für die neu verpflichtete Unternehmen kaum pünktlich zu leisten ist. Die vorgeschlagenen ESRS müssen daher dringend überarbeitet werden, wobei zunächst die Fülle der Einzelangaben überprüft werden sollte: "Die Standards scheinen nach dem Prinzip des "Wünsch dir was" erstellt worden zu sein." (S. 3) Überbordende Angaben würden eher ein bloßes "Compliance-Denken" befördern und stehen damit dem anzustrebenden "Integrated Thinking" entgegen.

Zudem plädiert das IDW erneut dafür, für globale Unternehmen einen einheitlichen globalen (Mindest-)Rahmen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu schaffen, um unnötigen Aufwand und eine für die Adressaten wenig transparente doppelte Berichterstattung zu vermeiden.

Ausblick: Zeitplan der EU

Es bleibt abzuwarten, ob dieser Appell, der im Kern auch aus vielen Stellungnahmen zu den ESRS deutlich wird, politisches Gehör findet. Der derzeit vorgesehene Zeitplan ist sehr eng – Mitte November 2022 sollen die finalen ESRS von der EFRAG an die EU Kommission übergeben werden, die dann den Abstimmungsprozess bis zur verbindlichen Bekanntmachung im 1. Halbjahr 2023 startet.

Die CSRD soll noch in diesem Jahr final verabschiedet werden und wäre dann in 2023 von den nationalen Gesetzgebern umzusetzen. 


In der News-Reihe "Aktuelles zur Nachhaltigkeitsberichterstattung" fasst Herr Prof. Dr. Müller monatlich die neusten und relevantesten Entwicklungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung prägnant für Sie zusammen. Weitere aktuelle Ausgaben:

Konsolidierung der Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Standardsetzung schreitet weiter voran

ESMA erkennt ISSB als zentral für die Entwicklung von Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards an

Internationale Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung baut auf die SASB-Standards

IDW sieht auch alle öffentlichen Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet