Dr. Klaus Kretschik, Dr. Wolfgang Sawazki
Tz. 115
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wie oben bereits ausgeführt, stellen die IFRS dem Abschlussleser im Vergleich zu nationalen Rechnungswerken mehr Informationen zur Verfügung. Doch genau bei diesem Vorteil setzen auch mehrere Nachteile an. Allgemein besteht ein Nachteil darin, dass im Hinblick auf verschiedene Sachverhalte diejenigen Parameter, welche zur Prognose eben dieser Sachverhalte notwendig sind, nur teilweise angegeben werden (zB Fremdwährungsabsicherung). Häufig werden hier qualitative Angaben gemacht, quantitative Informationen fehlen jedoch weitestgehend. Gerade im Hinblick auf den Nutzen von Sensitivitätsanalysen beim Erstellen von Gewinn- und Zahlungsstromprognosen ist dies allerdings ein erhebliches Defizit.
Tz. 116
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
In den Bereichen Pensionen, Risikoberichterstattung, Finanz- und Währungssicherung sowie den latenten Steuern ist in der Summe betrachtet ein gewisser information overload zu konstatieren, was die Fokussierung auf die nachhaltigen operativen Werttreiber einer Unternehmung zT überdecken oder verwässern kann. Eine Ausweitung der Berichterstattungspflichten führt beim Bilanzlesen zu erheblich steigenden Auswertungskosten. Dieser overload führt zudem dazu, dass die bereitgestellten Informationen oftmals nicht in einem angemessenen Zeitrahmen erfasst und ausgewertet werden können, oder es fehlen gar relevante Daten, um ein Gesamtbild zu erstellen. Dieses allgemeine Problem der IFRS wurde vom Standardsetzer zwar erkannt und durch die Disclosure Initiative adressiert (vgl. Tz. 18b–g). Der Erfolg dieser Initiative ist zum heutigen Zeitpunkt aber noch nicht abschließend zu beurteilen. Es bleibt abzuwarten, wie die Zielsetzung dieses Projektes mit den bevorstehenden, weitreichenden Neuerungen des IFRS 9, IFRS 15 und IFRS 16 vereinbar ist. Die neuen Standards implizieren allesamt eine starke Ausweitung der jeweiligen Angabepflichten. Es bleibt zu dem abzuwarten, inwiefern die technische Umsetzung der IFRS-Taxonomy gelingt und für die Adressaten eine wirkliche Unterstützung sein kann.
Tz. 117
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Ein markanter Schwachpunkt der aktuellen Berichterstattung liegt ua. auch darin, dass vielfach keine klaren Aussagen zu erwarteten zukünftigen Entwicklungen der wichtigen Werttreiber abgegeben bzw. vom Gesetzgeber gefordert werden oder bereits feststehende absehbare Veränderungen (zB Patentabläufe bei Pharmafirmen oder Vertragsveränderungen) einiger wesentlicher wirtschaftlicher Parameter nicht genannt werden. Die fehlende Rechtsverbindlichkeit des IFRS Practice Statement Management Commentary und die Möglichkeit zur individuellen Ausgestaltung eines Management Commentary in den IFRS helfen Analysten in diesem Zusammenhang nur bedingt bzw. nur in Abhängigkeit nationaler Rechnungslegungsnormen, entscheidungsnützliche Informationen generieren zu können. Zwar wird bei der Erstellung der Managementberichterstattung ein prinzipienorientierter Ansatz verfolgt und eine Definition von fünf Kernelementen der Managementberichterstattung bereitgestellt (Art der Geschäftstätigkeit; Ziele und Strategien, Ressourcen; Risiken und Beziehungen des Unternehmens; Geschäftsergebnis und -aussichten sowie Leistungsmaßstäbe und -indikatoren). Doch müssen diese Themengebiete nicht verpflichtend vom Abschlussersteller adressiert werden. Der Inhalt der Managementberichterstattung liegt im vollständigen Ermessen der Unternehmen. Dies wird dadurch kompensiert, dass zumindest deutsche IFRS-Bilanzierer einen Lagebericht nach dem HGB bzw. DRS 20 aufzustellen haben. Im Sinne einer decision usefulness wäre generell eine stärkere Zukunftsorientierung wünschenswert, da Anleger nicht auf Basis der Vergangenheit entscheiden, sondern die Zukunftsaussichten als Entscheidungskriterium verwenden. In Verbindung mit der Angabe von Sensitivitäten einzelner Abschlusspositionen auf beeinflussende Parameter könnte und sollte hier zusätzlicher Aussagewert geschaffen werden. Daneben fehlen häufig Aussagen zur Cashflow-Betrachtung sowie zu absehbaren GuV- oder Bilanzveränderungen.
Tz. 118
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wie oben bereits erwähnt, ist es nach wie vor kaum möglich, mit den auf IFRS basierenden Jahresabschluss-Informationen eine Sensitivitätsanalyse der Gewinne bzw. Zahlungsströme im Hinblick auf fundamentale Einflussfaktoren (bspw. Währungen, Zinsen und Rohstoffkosten) durchzuführen. Die aus einer solchen Analyse gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu verhelfen, Fehlwahrnehmungen am Kapitalmarkt zu verringern oder – im Idealfall – gar zu beseitigen und so einer situationsadäquaten Bewertung der jeweiligen Aktie ein Stück näher zu kommen.
Tz. 119
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Daneben enthalten die IFRS eine Vielzahl von Wahlrechten. Einige davon sind offene Wahlrechte, andere hingegen sind sog. verdeckte Wahlrechte. Exemplarisch seien hier abschlusspolitische Gestaltungsmöglichkeiten bei der Erst- und Folgebewertung des Goodwill oder die unzureichend geforderte Transparenz bei der Bildung, Auflösung oder Verän...