Prof. Dr. Bettina Thormann, Prof. Dr. Marius Gros
Tz. 4a
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Mit dem BilKoG wurde ein zweistufig ausgestaltetes Enforcement-System eingeführt. Die erste Stufe verkörperte die privatrechtlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung DPR eV (DPR) bzw. deren Vereinsorgan "Prüfstelle", die zweite Stufe die staatliche Behörde Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die DPR wurde auf Grundlage des § 342b Abs. 1 Satz 1 HGB aF und durch einen Anerkennungsvertrag vom 30.03.2005 durch das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen anerkannt. Ihr wurden im damaligen Rechtsrahmen festgelegte Aufgaben übertragen. Mit Wirkung zum 01.01.2022 wurde das zweistufige Enforcement-System im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) durch ein ausschließlich staatliches Enforcementverfahren abgelöst (vgl. Tz. 4g). Die bis zum Inkrafttreten des FISG erfolgten Änderungen des Rechtsrahmen, die auch für das aktuelle einstufige Enforcement weiterhin von Bedeutung sind, werden im Folgenden dargestellt.
Tz. 4b
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Bis zum 01.01.2016 fand das Enforcement auf die Finanzberichterstattung von Unternehmen Anwendung, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen waren. Dabei kam es nicht auf den Sitz des Unternehmens an, sondern auf die Zulassung seiner Wertpapiere zum regulierten Markt in Deutschland. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (BGBl. I Nr. 46 v. 25.11.2015) unterliegen hingegen Unternehmen dem Enforcement, die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren iSv. § 2 Abs. 1 WpHG die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat haben (sog. Herkunftsstaatsprinzip) (vgl. Tz. 52ff.). Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie wurde weiterhin der Gegenstand von Enforcement-Prüfungen auf die (Konzern-)Zahlungsberichte erweitert (vgl. Tz. 58) und der zeitliche Anwendungsbereich des Enforcement auf die Finanzberichte des Vorjahres ausgedehnt. Mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz wurde der zeitliche Anwendungsbereich auf die Finanzberichte von zwei Vorjahren erweitert und somit erneut ausgedehnt (vgl. Tz. 62).
Tz. 4c
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG; BGBl. I Nr. 23 v. 17.05.2016) wurde einerseits klargestellt, dass neben den Finanzberichten eines Unternehmens auch dessen Buchführung Prüfungsgegenstand sein kann (vgl. Tz. 58). Andererseits stellte es klar, dass ein bereits eingeleitetes Prüfverfahren auch nach Wegfall der Börsennotierung abgeschlossen werden kann. Damit kann die BaFin ein Prüfverfahren auch dann fortführen und abschließen, wenn sich das Unternehmen zwischenzeitlich von der Börse zurückgezogen hat (vgl. Tz. 113).
Tz. 4d
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
(einstweilen frei)
Tz. 4e
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Eine weitere Anpassung der für das Enforcement einschlägigen gesetzlichen Normen hat sich am 18.06.2020 mit Verabschiedung des "Gesetz[es] zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte" (ESEF-Umsetzungsgesetz, BGBl. I Nr. 38 vom 18.08.2020) ergeben. Das Gesetz dient der Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie und berücksichtigt die Konkretisierungen durch die delegierte Verordnung (Verordnung (EU) 2019/2100 v. 30.09.2019, ABl. EU L 326/1 v. 16.12.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/815). Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen ihre Jahresfinanzberichte für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2020 beginnen, nunmehr in einem einheitlichen europäischen elektronischen Format (European Single Electronic Format – ESEF) erstellen (zu den Gesetzesänderungen stellvertretend Orth/Obst, WPg 2020, S. 422ff.; Schmidt, DB 2020, S. 513ff.; Zwirner, IRZ 2020, S. 112ff). Neben den in § 328 HGB kodifizierten geänderten Offenlegungsvorschriften wurde auch der § 342b Abs. 2 HGB aF bzw. § 107 Abs. 1 WpHG dahingehend geändert, dass nicht nur die jeweils aufgestellten Abschlüsse und Lageberichte, sondern auch die für Zwecke der Offenlegung – im ESEF-Format – erstellten Abschlüsse und Lageberichte dem Enforcement unterliegen (vgl. zum Prüfungsgegenstand Tz. 58ff.).
Tz. 4f
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Als Reaktion auf den Bilanzbetrug-Skandal um das ehemalige DAX-Unternehmen Wirecard wurde Ende Juni 2020 der die DPR-Tätigkeit konstituierende Anerkennungsvertrag (vgl. Tz. 4a) durch das Bundesjustizministerium zum Ende des Jahres 2021 ordentlich gekündigt. Mit dem Ziel, das am Kapitalmarkt verloren gegangene Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt dauerhaft zu stärken, legten das BMF und BMJV am 26.10.2020 einen gemeinsamen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität vor (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG). Am 16.12.2020 folgte der Regierungsentwurf (BT-Drucks. 19/26966 v. 24.02.202...