Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Isabel von Keitz
Tz. 46
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Auch für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses angeschaffte immaterielle Vermögenswerte besteht gem. IAS 38.18 und IAS 38.21 grundsätzlich ein Ansatzgebot, wenn ein immaterieller Vermögenswert iSd. IAS 38.8 vorliegt, der Nutzenzufluss wahrscheinlich ist und die Kosten verlässlich zu ermitteln sind (vgl. auch ausführlich zum Ansatz von im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen angeschafften immateriellen Vermögenswerten gem. IFRS 3 (2004) Heidemann, 2005). Der IASB hat in IAS 38.33–43 konkretisierende Hinweise zur Anwendung der drei Ansatzkriterien gegeben. Unkritisch – und nach Ansicht des IASB immer (always) erfüllt (IAS 38.33 iVm. IAS 38.BC16A) – sind für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene immaterielle Vermögenswerte die Kriterien "Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses" (vgl. Tz. 47) und "zuverlässige Messbarkeit" (vgl. Tz. 48). Ausschlaggebend für den vom Goodwill getrennten Ansatz ist daher allein die Erfüllung der Kriterien eines immateriellen Vermögenswertes (ausführlich vgl. Tz. 49–53).
Tz. 47
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Das zweite Ansatzkriterium, die Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses, ist gem. IAS 38.33 für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene immaterielle Vermögenswerte stets als erfüllt anzusehen. Nach Ansicht des IASB liegt dies darin begründet, dass durch die Bereitschaft des berichterstattenden Unternehmens einen Kaufpreis (ua. für den wahrscheinlich künftigen Nutzenzufluss aus immateriellen Vermögenswerten) zu entrichten, das Unternehmen einen Nutzenzufluss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet. In welcher Höhe dieser wahrscheinliche Nutzenzufluss vorliegt, ist eine nachgelagerte Fragestellung, die bei der Zugangsbewertung zu beachten ist (IAS 38.BC17).
Die Unterstellung, dass für immaterielle Vermögenswerte, die im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworben wurden, der Nutzenzufluss stets hinreichend wahrscheinlich ist, wurde im Rahmen der Überarbeitung des IFRS 3 und des IAS 38 in 2004 eingeführt (vgl. Tz. 36). Bis dahin führte die Unsicherheit bezüglich des Nutzenzuflusses im Zweifel dazu, dass ein immaterieller Vermögenswert nicht separat aktiviert wurde, sondern im Goodwill enthalten war (vgl. hierzu auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 23). Dem IASB war bei der Überarbeitung des IFRS 3 und des IAS 38 durchaus bewusst, dass die faktische Streichung des Kriteriums der Wahrscheinlichkeit des Nutzenzuflusses für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene immaterielle Vermögenswerte im Widerspruch zu den allgemeinen Ansatzkriterien des Conceptual Framework (2010) steht (IAS 38.BC18). Gleichwohl ist auch im aktuellen Conceptual Framework (2018) die im alten Rahmenkonzept noch vorgesehene Wahrscheinlichkeitsschwelle nicht mehr in den allgemeinen Ansatzkriterien implementiert, sodass die Normen des IAS 38 für im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene immaterielle Vermögenwerte nun nicht mehr im Widerspruch zu den allgemeinen Regelungen des Rahmenkonzeptes stehen (ausführlich zu den Ansatzkriterien im Conceptual Framework (2018) vgl. IFRS-Komm., Teil A, Kap. II, Tz. 96–101).
Tz. 48
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Auch das dritte Ansatzkriterium, die zuverlässige Ermittlung der Anschaffungskosten für einen im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen immateriellen Vermögenswert, ist nach Ansicht des IASB immer erfüllt (IAS 38.33 iVm. IAS 38.BC16A). Nach Auffassung des IASB gibt es, sofern ein im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbener immaterieller Vermögenswert separierbar ist und/oder aus vertraglichen oder anderen Rechten entsteht, genügend Informationen, um dessen beizulegenden Zeitwert hinreichend zuverlässig zu ermitteln (IAS 38.33). Unsicherheiten bezüglich der Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes sind demnach nicht ausschlaggebend für die Frage, ob ein immaterieller Vermögenswert separat zu aktivieren ist, sondern erst bei der nachgelagerten Frage, in welcher Höhe dieser zum Zugangszeitpunkt zu bewerten ist (IAS 38.35).
Die ausnahmslose Annahme der Erfüllung des Kriteriums "zuverlässige Messbarkeit" für im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen erworbene immaterielle Vermögenswerte wurde erst mit der Überarbeitung des IAS 38 und des IFRS 3 im Januar 2008 eingeführt (vgl. Tz. 37). Bis dahin verwendete der IASB hier nicht ein kategorisches "stets" (always), sondern ein "normalerweise" (normally). Durch die damalige Abschwächung "normalerweise" eröffnete der IASB den Bilanzierenden einen vergleichsweise großen Ermessensspielraum. In IAS 38.38 (2004) versuchte der IASB zwar, diesen Ermessensspielraum dadurch wieder zu reduzieren, dass die Fälle, in denen eine Bewertung ggf. nicht hinreichend zuverlässig möglich war, konkretisiert wurden. So war das Kriterium der zuverlässigen Messbarkeit gem. IAS 38.38 (2004) nur für solche immateriellen Vermögenswerte möglicherweise nicht gegeben, die aus gesetzlichen od...