Dr. Stefan Bischof, Dipl.-Ök. Günter Doleczik
Tz. 4
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Ereignisse nach der Berichtsperiode (events after the reporting period) sind günstige oder ungünstige Ereignisse, die zwischen dem Ende der Berichtsperiode (Bilanzstichtag) und dem Tag liegen, an dem der Abschluss zur Veröffentlichung freigegeben wird (IAS 10.3). Es wird dabei zwischen zwei Arten von Ereignissen unterschieden:
- Ereignisse, die substanzielle Hinweise über Bedingungen liefern, die bereits zum Ende der Berichtsperiode bestanden (berücksichtigungspflichtige Ereignisse nach der Berichtsperiode (adjusting events); wertaufhellende Tatsachen), und
- Ereignisse, die Bedingungen anzeigen, die nach der Berichtsperiode entstanden sind (nicht berücksichtigungsfähige Ereignisse nach der Berichtsperiode (non-adjusting events); wertbeeinflussende Tatsachen).
Diese Definitionen entsprechen grundsätzlich auch der zum Handelsrecht vertretenen Auffassung, wobei die Anwendung im Einzelfall durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (siehe zu Unterschieden etwa Ohmen/Seidler, BB 2015, S. 3051ff.). Die Begriffe "wertaufhellende Tatsache" und "wertbeeinflussende Tatsache" werden iSv. IAS 10 umfassend verwendet. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von wertaufhellenden Ereignissen auf verlustbringende Ereignisse, wie sie Teile der Literatur in Bezug auf das handelsrechtliche Pendant des § 252 Abs. 1 Nr. 3 und 4 HGB fordern (vgl. Störk/Philipps, in: Beck Bil.-Komm., 12. Aufl., § 242 HGB, Tz. 6; aA Störk/Büssow, in: Beck Bil.-Komm., 12. Aufl., § 252 HGB, Tz. 38; ADS, 6. Aufl., § 252 HGB, Tz. 42; Moxter, BB 2003, S. 2559), wird nach IAS 10 nicht vorgenommen (zur Einschränkung vgl. Tz. 18). Der EuGH hat in seinem Urteil vom 07.01.2003 (DStRE 2003, S. 69ff.) zwar bezüglich der 4. EG-Richtlinie die oben geforderte Einschränkung auf verlustbringende Ereignisse abgelehnt (sa. Vorlagebeschluss des FG Hamburg an den EuGH v. 22.04.1999, BB 1999, S. 1866ff.); er hat indes im entschiedenen Fall mit der Qualifikation der Rückzahlung des fraglichen Kredits nach dem Bilanzstichtag als wertbegründende Tatsache dennoch eine Nichtberücksichtigung des gewinnbringenden Ereignisses gefordert. Allein im Anhang soll der nachträgliche Wegfall der Kreditrisiken erwähnt werden. Demgegenüber hat der BFH schlussendlich die nach dem Bilanzstichtag erfolgte Rückzahlung des Kredits als wertaufhellend gewertet und entsprechend die gebildete Rückstellung für das Kreditrisiko nicht akzeptiert, da die fristgerechte Rückzahlung des Kredits aus der Sicht des Tages der Bilanzerstellung ein jedenfalls hinreichend wahrscheinliches Risiko bereits zum Bilanzstichtag objektiv entfallen lasse (Urteil vom 15.09.2004, DStR 2005, S. 238; vgl. auch Christiansen, DStR 2007, S. 1178ff.).
Die vorliegende Kommentierung verwendet den in der handelsrechtlichen Rechnungslegung üblichen Begriff "wertaufhellende Tatsachen" statt einer wörtlichen Übersetzung von adjusting events (berücksichtigungspflichtige Ereignisse). Entgegen dem Wortlaut "wertaufhellend" erstreckt sich jedoch nach HGB wie nach IFRS die Aufhellung neben der Bewertung auch auf Ansatz und Anhangangaben (vgl. ua. Moxter, BB 2003, S. 2559; Drüen/Stiewe, StuB 2004, S. 489f.) sprechen insofern von einer "Bilanzaufhellung").
Unter den Begriff "Ereignis" fallen nicht nur Geschäftsvorfälle, die nach der Berichtsperiode eingetreten sind, sondern auch der Zugang von Informationen nach der Berichtsperiode, bspw. über vor dem Ende der Berichtsperiode eingetretene Geschäftsvorfälle.
In der handelsrechtlichen Literatur wird zwischen einer subjektiven und einer objektiven Aufhellungskonzeption unterschieden (vgl. hierzu ausführlich Moxter, BB 2003, S. 2559ff.). Im Rahmen einer subjektiven Aufhellungskonzeption ist entscheidend, was der Bilanzierende am Bilanzstichtag bei angemessener Sorgfalt wissen konnte; nach dem Bilanzstichtag zugegangene Informationen bleiben – sofern der Kaufmann diese auch bei angemessener Sorgfalt nicht hätte erlangen können – unberücksichtigt. Die objektive Aufhellungskonzeption fragt dagegen bei nach dem Bilanzstichtag zugegangenen Informationen danach, ob die nachträglich erlangten Informationen zu einer Änderung der Einschätzung des Bilanzierenden hinsichtlich der Verhältnisse am Bilanzstichtag führen. Eine solche Differenzierung zwischen den beiden Aufhellungskonzeptionen wird in IAS 10 nicht explizit vorgenommen (vgl. Moxter, BB 2003, S. 2564). Die Definitionen und die Beispiele in IAS 10.3, 9 und 11 für wertaufhellende und wertbegründende Tatsachen stellen in ihrem Wortlaut nicht auf den Kenntnisstand des Bilanzierenden ab, sodass daraus geschlossen werden könnte, dass IAS 10 auf einer objektiven Aufhellungskonzeption basiert. Indes sind die Regelungen in IAS 10 insgesamt zu unbestimmt, als dass sie einen eindeutigen Rückschluss auf die Wertaufhellungskonzeption zulassen (vgl. Moxter, BB 2003, S. 2564). Im Übrigen resultiert nach IAS 8.5 ein Fehler aus der Nichtnutzung oder falschen Nutzung von verlässlichen Informationen, die bis zum Ende des Wertau...