Tz. 106f

Stand: EL 48 – ET: 10/2022

Reverse-Factoring-Vereinbarungen treten in der Unternehmenspraxis in verschiedenen Variationen auf. Typischerweise sind Reverse-Factoring-Vereinbarungen derart ausgestaltet, dass sich ein Finanzinstitut bereit erklärt, Beträge, die ein Unternehmen seinen Lieferanten schuldet, zu bezahlen, wobei sich das Unternehmen im Gegenzug dazu verpflichtet, seine Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzinstitut zum gleichen oder zu einem späteren Zeitpunkt der Zahlung an den Lieferanten zu entrichten. Allen Reverse-Factoring-Vereinbarungen ist jedoch grundsätzlich gemein, dass das Finanzinstitut den Lieferanten bezahlt, bevor dieses seinerseits vom Unternehmen bezahlt wird. In Bezug auf die bilanzielle Abbildung derartiger Transaktionen stellt sich damit die Frage, ob das Unternehmen die Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzinstitut als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen oder als finanzielle Verbindlichkeit auszuweisen hat. Des Weiteren stellt sich die Frage, in welchem Tätigkeitsbereich der Kapitalflussrechnung die Zahlungsmittelabflüsse an das Finanzinstitut durch das Unternehmen auszuweisen sind.

 

Tz. 106g

Stand: EL 48 – ET: 10/2022

Das IFRIC hat im Dezember 2020 eine Agenda-Entscheidung zur Darstellung von Verbindlichkeiten bei Reverse-Factoring-Vereinbarungen veröffentlicht (abrufbar unter: https://www.ifrs.org/news-and-events/updates/ifric/2020/ifric-up­date-december-2020/#5). Diese behandelt die Auswirkungen einer Reverse-Factoring-Vereinbarung auf die Darstellung in der Bilanz, die Ausbuchung einer finanziellen Verbindlichkeit, die Darstellung in der Kapitalflussrechnung und die Erläuterungen im Anhang. Das IDW hat sich daraufhin mit den aus seiner Sicht bestehenden Zweifelsfragen in der IFRIC Agenda-Entscheidung in der Modulverlautbarung IAS 1 – M1 des IDW RS HFA 50 befasst.

 

Tz. 106h

Stand: EL 48 – ET: 10/2022

Die im Rahmen einer Reverse-Factoring-Vereinbarung anfallenden Zahlungsströme sind laut Agenda-Entscheidung des IFRIC in der Kapitalflussrechnung typischerweise der betrieblichen Tätigkeit oder der Finanzierungstätigkeit zuzuordnen. Das IFRIC stellte dabei fest, dass die Beurteilung eines Unternehmens hinsichtlich der Art der Verbindlichkeiten, die Teil der Vereinbarung sind, bei der Bestimmung, ob die damit verbundenen Zahlungsmittelflüsse betrieblichen Tätigkeiten oder Finanzierungstätigkeiten entstammen, helfen kann.

 

Tz. 106i

Stand: EL 48 – ET: 10/2022

Wenn das Unternehmen bspw. die zugehörige Verbindlichkeit als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen oder als eine andere Verbindlichkeit, die Teil des im normalen Geschäftszyklus für erlösbringende Tätigkeiten genutzten Betriebskapitals ist, einstuft, stellt es die Zahlungsmittelflüsse zur Begleichung der Verbindlichkeit in seiner Kapitalflussrechnung als aus betrieblichen Tätigkeiten resultierend dar. Im Gegensatz dazu stellt das Unternehmen die Zahlungsströme zur Begleichung der Verbindlichkeit in seiner Kapitalflussrechnung als aus Finanzierungstätigkeiten resultierend dar, wenn es der Ansicht ist, dass die zugehörige Verbindlichkeit nicht als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen oder andere Verbindlichkeit einzustufen ist, da sie für das Unternehmen Fremdkapital darstellt.

 

Tz. 106j

Stand: EL 48 – ET: 10/2022

Investitions- und Finanzierungstransaktionen, die keinen Einsatz von Zahlungsmitteln oder Zahlungsmitteläquivalenten erfordern, sind nicht in der Kapitalflussrechnung eines Unternehmens darzustellen (IAS 7.43). Kommt es demnach bei einem Unternehmen infolge der Fakturierung einer Rechnung im Rahmen einer Reverse-Factoring-Vereinbarung zu einem Zahlungsmittelfluss, so stellt das Unternehmen diese Zahlungsmittel in seiner Kapitalflussrechnung dar. Kommt es bei einem Unternehmen infolge einer Finanzierungstransaktion zu keinem Zahlungsmittelfluss, so erläutert das Unternehmen die Transaktion an anderer Stelle im Abschluss, und zwar so, dass alle relevanten Informationen zur Finanzierungstätigkeit enthalten sind (IAS 7.43).

 

Tz. 106k

Stand: EL 48 – ET: 10/2022

Die in der Agenda-Entscheidung beschriebene Darstellung der im Rahmen von Reverse-Factoring-Vereinbarungen anfallenden Zahlungsströme lässt sich wie folgt veranschaulichen (vgl. auch EY International GAAP 2022, Chapter 35.4.4.6):

Beispiel:

Unternehmen A schließt hinsichtlich bestehender und/oder künftiger Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber einem Lieferanten eine Reverse-Factoring-Vereinbarung mit einem Finanzinstitut ab. Das Finanzinstitut begleicht am Fälligkeitsdatum die Verbindlichkeit gegenüber dem Lieferanten, während Unternehmen A das Finanzinstitut zeitlich nachgelagert bezahlt. Die Regelungen der Reverse-Factoring-Vereinbarung werden von Unternehmen A derart beurteilt, dass die Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzinstitut als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen einzustufen ist. Die Begleichung der Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen seitens des Finanzinstituts gegenüber dem Lieferanten ist in d...

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