Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 96
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Abweichend vom allgemeinen Saldierungsverbot nach IAS 1.32 schreibt der IASB für Finanzinstrumente, die mit derselben Vertragspartei abgeschlossen wurden, unter bestimmten Bedingungen einen saldierten Ausweis vor. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen
- gegenwärtig einen einklagbaren Rechtsanspruch besitzt, die erfassten Beträge gegeneinander aufzurechnen und
- beabsichtigt, die Begleichung der gegenseitigen Ansprüche auf Nettobasis herbeizuführen oder die Verwertung des betreffenden Vermögenswerts gleichzeitig mit der Begleichung der Verbindlichkeit vorzunehmen (IAS 32.42).
Ferner bestimmt der IASB, dass ein auf ein anderes Unternehmen übertragener finanzieller Vermögenswert, der die in IAS 39.20 ff. genannten Anforderungen an eine Ausbuchung nicht erfüllt, nicht mit der im Gegenzug zu erfassenden finanziellen Verbindlichkeit verrechnet werden darf (IAS 39.36).
Tz. 97
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Der IASB geht grundsätzlich davon aus, dass die Saldierung von Vermögen und Schulden resp. Aufwendungen und Erträgen den Leser bei der Abschätzung zukünftiger Finanzmittelbewegungen behindert. Er untersagt deshalb die Verrechnung, es sei denn, sie entspricht dem wirtschaftlichen Gehalt der Geschäftsvorfälle und spiegelt diese zutreffend wider (IAS 1.33). Eine dem wirtschaftlichen Gehalt entsprechende Darstellung ist dann auch der Grund dafür, warum für Finanzinstrumente, die die oben genannten Bedingungen erfüllen, ein Nettoausweis vorgeschrieben ist: Wenn gegenläufige Ansprüche tatsächlich im Wege der Aufrechnung beglichen werden, bestehen faktisch nicht mehrere Finanzinstrumente, sondern lediglich eines – entweder ein finanzieller Vermögenswert oder eine finanzielle Verbindlichkeit. Bei Vorliegen gegenläufiger Ansprüche, die nicht durch Aufrechnung erfüllt werden können oder sollen, ist im Umkehrschluss die generelle Norm einschlägig und ein Bruttoausweis vorgeschrieben (IAS 32.43).
Tz. 98
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Die Saldierung finanzieller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die durch Aufrechnung erfüllt werden sollen, ist lediglich eine Frage der Darstellung und hat keine Auswirkung auf den Ansatz der Finanzinstrumente. Auch wenn das Ergebnis der Verrechnung in der Bilanz zu einem vergleichbaren Ausweis führt, liegt der Unterschied in der rein ausweistechnischen Verrechnung darin, dass es nie zu einer Erfassung von Bewertungserfolgen kommt, wie sie bei Ausbuchungen vorkommen kann (IAS 32.44).
Tz. 99
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Das oben (vgl. Tz. 96) angesprochene einklagbare Recht zur vollständigen oder teilweisen Aufrechnung finanzieller Ansprüche und Verpflichtungen kann vertraglich oder anderweitig ausgestaltet sein. Das bedeutet, dass zur Prüfung, ob ein rechtlich durchsetzbarer Aufrechnungsanspruch besteht, die jeweils in einem Rechtskreis geltenden Normen heranzuziehen sind (IAS 32.45 sowie AG38C und D); in Deutschland wären dies die zum Erlöschen von Schuldverhältnissen in den §§ 387 ff. BGB niederlegten Vorschriften zur Aufrechnung. Nach den dort kodifizierten Regelungen ist eine Aufrechnung dann möglich, wenn zwei Parteien gegenläufige Ansprüche besitzen, die gleichartig, fällig und nicht mit Einreden behaftet sind (§§ 387, 390 BGB; s. a. Mentz 2009, Rn. 293 mwN). Sollen Ansprüche gegen eine Partei mit Verpflichtungen gegenüber einer anderen Partei verrechnet werden, so steht der bilanziellen Saldierung nichts entgegen, soweit die drei Parteien eine vertragliche Übereinkunft erzielt haben, die den Parteien das Recht zur Aufrechnung der untereinander bestehenden Ansprüche zugesteht. Insoweit besteht kein Widerspruch zwischen den Normen des deutschen Schuldrechts und den Vorgaben in IAS 32).
Tz. 100
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Der Verweis auf die Gegenwärtigkeit des Aufrechnungsrechts ist im Zusammenhang mit sog. Globalverrechnungsverträgen (master netting arrangements) bedeutsam. Dabei handelt es sich um Rahmenvereinbarungen, die für alle von ihnen erfassten Finanzinstrumente bei Ausfall (default) oder Kündigung (termination) eines Instruments eine sofortige Aufrechnung bzw. Abwicklung aller Kontrakte vorsehen. Solche Rahmenvereinbarungen berechtigen indes nicht zu einer Saldierung im IFRS-Abschluss, weil sie den Vertragsparteien kein gegenwärtig bestehendes, sondern lediglich ein bedingtes Recht zur Aufrechnung verschaffen, das nur für die vordefinierten Fälle eines Ausfalls oder einer Kündigung rechtlich durchsetzbar ist (IAS 32.50 und IAS 32.AG38A). Im Dezember 2011 hat der IASB klargestellt, dass ein Recht auf Aufrechnung nicht von einem zukünftigen Ereignis abhängig sein darf und sowohl im üblichen Geschäftsgang als auch im Falle eines Ausfalls oder der Insolvenz des Unternehmens sowie jeglicher Vertragsparteien durchsetzbar sein muss (IAS 32.AG38B).
Tz. 101
Stand: EL 28 – ET: 03/2016
Neben dem Recht auf Aufrechnung muss darüber hinaus die Absicht zur Aufrechnung bestehen. Beabsichtigt ein Unternehmen, Ansprüche und Verpflichtungen aus Finanzinstrumenten gegenüber derselben Ve...