Prof. Dr. Hanne Böckem, Dennis Bröcker
Tz. 66
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Unternehmen, deren Eigen- oder Fremdkapitaltitel in bestimmten Marktsegmenten gehandelt werden oder die sich im Prozess der Börsenzulassung befinden (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 8, Tz. 17ff.), sind nach IFRS 8.2 (b) verpflichtet, den IFRS-Konzernabschluss um eine Segmentberichterstattung zu ergänzen. Anknüpfungspunkt für die Segmentierung ist nach IFRS 8.5 (b) das Steuerungs- und Berichtssystem, anhand derer der Hauptentscheidungsträger (chief operating decision maker, nachfolgend CODM) Ressourcenallokationsentscheidungen trifft (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 8, Tz. 38ff.). Konsequenz eines spin off oder carve out ist idR, dass sich das Steuerungssystem, das Ausgangspunkt für die Segmentierung nach IFRS 8 ist, für die neue (kombinierte) Berichtseinheit in einer Art und Weise ändert, dass die Segmentberichterstattung bzw. das CODM Reporting aus dem übergeordneten Konzern nicht als Anknüpfungspunkt für die Segmentberichterstattung angenommen werden kann. Vielmehr wird für die neue Berichtseinheit regelmäßig ein neues Berichtssystem geschaffen werden, das dem CODM der neuen Berichtseinheit für seine Ressourcenallokationsentscheidungen vorgelegt wird. Die Segmentierung wird regelmäßig über die Segmentierung der Segmentberichterstattung des übergeordneten Konzerns hinausgehen, da der CODM der kombinierten Berichtseinheit naturgemäß auf tieferliegenden Konzernebenen steuern wird als der CODM des übergeordneten Konzerns.
Tz. 67
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Fraglich ist, ab welchem Zeitpunkt die neue Segmentstruktur der neuen Berichtseinheit zwingend zu berichten ist. Ausgangspunkt jeder Segmentierung ist, wie dargestellt, das tatsächlich implementierte Steuerungssystem und das entsprechende CODM Reporting, anhand derer der CODM der kombinierten Berichtseinheit Ressourcenallokationsentscheidungen trifft. Zum Abschlussstichtag der kombinierten Berichtseinheit wird vielfach das Steuerungssystem (i) erst kurz vor dem Abschlussstichtag des erstmals erstellten kombinierten Abschlusses, oder (ii) am Berichtsstichtag des erstmals erstellten kombinierten Abschlusses noch nicht implementiert sein.
Da die tatsächliche Steuerung nach der Segmentstruktur Voraussetzung für die Segmentierung ist (IFRS 8.5 (b)), ist zu fordern, dass das neue Steuerungs- bzw. Berichtssystem für einen Mindestzeitraum innerhalb des ersten Berichtszeitraums tatsächlich implementiert war. Praktisch wird man einen Monatszeitraum unmittelbar vor dem ersten Abschlussstichtag fordern, innerhalb dessen die resultierende Steuerungsinformation auch Gegenstand einer CODM-(Vorstands-)Sitzung auf Ebene der neuen Berichtseinheit war. Unter diesen Voraussetzungen greifen – die Tatbestandsvoraussetzungen des IFRS 8.2 vorausgesetzt – die Anforderungen an die Identifikation von Geschäftssegmenten (operating segments) auf Basis des implementierten Steuerungs- und Berichtssystem als erster Schritt zur pflichtgemäß nach IFRS 8 erstellten Segmentberichterstattung. Wurde das neue Steuerungs- und Berichtssystem auf Ebene der neuen Berichtseinheit vor dem Berichtsstichtag des erstmals erstellten kombinierten Abschlusses tatsächlich implementiert, liegen zum Stichtag des erstmals erstellten kombinierten Abschlusses entsprechende Finanzinformationen aus dem resultierenden CODM-Bericht vor.
Tz. 68
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Fraglich ist die sachgerechte Vorgehensweise, wenn das Steuerungs- und Berichtssystem für die neue Berichtseinheit am Berichtsstichtag des erstmals erstellten kombinierten Abschlusses noch nicht implementiert wurde. In dem Fall scheidet eine nach den skizzierten Grundsätzen des IFRS 8 erstellte Segmentberichterstattung aus. Maßgeblich für ggf. freiwillig auf Segmentbasis bereitgestellte Finanzinformationen ist, welchen Konkretisierungsgrad das neue Steuerungs- und Berichtssystem während des Aufstellungszeitraums des betreffenden kombinierten Abschlusses erreicht hat. Liegt zum Aufstellungszeitraum ein Beschluss des CODM der neuen Berichtseinheit über das neue Steuerungs- und Berichtssystem sowie Finanzinformationen für die an den CODM berichteten operativen Segmente vor, die vor dem Aufstellungsstichtag Gegenstand einer CODM-Sitzung wurden, kann gefolgert werden, dass die neue Segmentierung als Ereignis nach dem Berichtsstichtag und damit nach IAS 10 auf freiwilliger Basis als Grundlage für eine Segmentberichterstattung verwandt werden kann. Regelmäßig wird sich der CODM der neuen Berichtseinheit nicht nur die Finanzinformationen des aktuellen YTD-Zeitraums aufbereiten lassen, sondern auch Vorjahreswerte, die insofern als Vorjahresvergleichswerte in der Segmentberichterstattung herangezogen werden können. Bedeutsam ist, dass die in den Abschluss aufgenommenen Finanzinformationen keine administrativ ohne CODM-Beteiligung und damit ohne Einbindung in einen Entscheidungskontext abgeleiteten Werte sind, sondern tatsächlich als Entscheidungsvorlage durch den CODM genutzt wurden. Zu beachten ist, dass es sich aus den vorstehenden Grün...