Leitsatz

Wird eine Wohnimmobilie im Jahr der Veräußerung kurzzeitig vermietet, ist dies für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG unschädlich, wenn der Steuerpflichtige das Immobilienobjekt –zusammenhängend – im Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

 

Normenkette

§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige war Eigentümer einer von 2006 bis März 2014 zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung. Nach seinem Auszug vermietete er die Wohnung und veräußerte sie im Dezember 2014. Das FA versagte die Steuerfreiheit. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7.12.2018, 13 K 289/17, Haufe-Index 13041004, EFG 2019, 710).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Zwischennutzung durch Vermietung im Veräußerungsjahr unschädlich ist, wenn die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung bereits vorlagen. Eine Gegenausnahme, wie vom FA angenommen, ist der Norm nicht zu entnehmen.

Dokumentation angeraten

Eigentümer, die den Tatbestand gestalten wollen, sollten peinlich darauf achten, die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken taggenau gerichtsfest zu dokumentieren. Im Regelfall dürfte der Nachweis der Anmeldung als Haupt- oder Nebenwohnung genügen. Im Zweifel sollten aber auch der Umzug oder die Möblierung belegbar sein.

 

Hinweis

Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH auf eine "Rüttelrevision" des FA geantwortet und sein grundlegendes Urteil (BFH, Urteil vom 27.6.2017, IX R 37/16, BFH/NV 2017, 1663, BFH/PR 2018, 2, BStBl II 2017, 1192) bestätigt. Die Entscheidung ist nachträglich zur Veröffentlichung bestimmt worden.

1. In seiner Leitentscheidung von 2017 hat der BFH u.a. geklärt, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG wörtlich und eng zu verstehen ist:

a) Das Gesetz verlangt nicht, dass der Steuerpflichtige die Immobilie im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung ausschließlich, d.h. durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Voraussetzung ist nur, dass er sie im Jahr der Veräußerung und in den beiden davor liegenden Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. In den beiden "Randjahren" genügt dafür theoretisch jeweils ein Tag.

b) Erforderlich ist aber ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über das Veräußerungsjahr und die beiden vorangegangenen Jahre erstrecken muss. Im mittleren Jahr muss die Immobilie also durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sein und die Selbstnutzungszeiten im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr davor müssen übergangslos daran anschließen. Der Tatbestand ist danach erfüllt, wenn die Selbstnutzung am letzten Tag des zweiten Jahres vor der Veräußerung begonnen hat, im Jahr vor der Veräußerung durchgehend bestand und am ersten Tag des Veräußerungsjahrs endete. Mehr ist nicht erforderlich.

2. Die Finanzverwaltung hat die Rechtsprechung grundsätzlich akzeptiert, wie die Veröffentlichung der Leitentscheidung im BStBl zeigt. Das im Streitfall beklagte FA hielt die Auslegung des BFH hingegen nicht für überzeugend. Der Sinn der Ausnahmevorschriften gebiete es, die Steuerbefreiung zu versagen, wenn die Immobilie im Veräußerungsjahr nach Beendigung der Selbstnutzung vermietet werde. Ein Leerstand könne dagegen als unschädlich angesehen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 3.9.2019 – IX R 10/19

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