Leitsatz
1. Bei Selbstständigen und Gewerbetreibenden, deren Einkünfte naturgemäß stärkeren Schwankungen unterliegen, ist bei der Ermittlung des Nettoeinkommens regelmäßig ein Dreijahresdurchschnitt zu bilden (Bestätigung des Senatsurteils vom 28.3.2012, VI R 31/11, BFHE 237, 79, BStBl II 2012, 769).
2. Steuerzahlungen sind von dem hiernach zugrunde zu legenden unterhaltsrelevanten Einkommen grundsätzlich in dem Jahr abzuziehen, in dem sie gezahlt wurden (Bestätigung des Senatsurteils in BFHE 237, 79, BStBl II 2012, 769).
3. Führen Steuerzahlungen für mehrere Jahre jedoch zu nicht unerheblichen Verzerrungen des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens im Streitjahr, sind die im maßgeblichen Dreijahreszeitraum geleisteten durchschnittlichen Steuerzahlungen zu ermitteln und vom "Durchschnittseinkommen" des Streitjahres abzuziehen.
Normenkette
§ 33a Abs. 1 EStG, § 1602, § 1603 BGB
Sachverhalt
Der mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Kläger erzielte im Streitjahr (2012) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.H.v. 425.642 EUR. In den Jahren 2010 bis 2012 betrug der Durchschnitt seiner Einkünfte aus selbstständiger Arbeit 483.096 EUR. 2012 leistete er Zahlungen für Einkommensteuer, Zuschlag- und Annexsteuern 2010 bis 2012 i.H.v. insgesamt 564.000 EUR. Hierfür verwendete er u.a. Bankguthaben i.H.v. ca. 410.000 EUR. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten der Kläger und seine Ehefrau, für Unterhaltsleistungen an die beiden volljährigen Söhne des Klägers und Stiefsöhne der Ehefrau gemäß § 33a Abs. 1 EStG einen Betrag i.H.v. jeweils 8.004 EUR als außergewöhnliche Belastungen anzusetzen. Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Unterhaltsleistungen im Rahmen der streitigen Einkommensteuerfestsetzung nicht, weil die sog. Opfergrenze unterschritten worden und Vermögen bei deren Berechnung nicht anzusetzen sei. Das FG gab der Klage hingegen statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.2.2015, Haufe-Index 9486852, 16 K 10187/14). Das FA habe die vom Kläger angesparten Mittel zu Unrecht außer Acht gelassen.
Entscheidung
Der BFH hat das FG im Ergebnis bestätigt. Nach den aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen beruhe die Leistungsfähigkeit des Klägers demnach nicht auf seinen Vermögensverhältnissen, insbesondere dem Umstand, dass er die Steuerzahlungen zum Teil aus privaten Rücklagen bestritten hat, sondern auf der Höhe seines für den maßgeblichen Dreijahreszeitraum (2010 bis 2012) zutreffend ermittelte Durchschnittseinkommens, das nicht um die gesamte, sondern nur um die durchschnittliche Steuerzahlung (564.000 EUR : 3 = 188.000 EUR) zu mindern gewesen sei.
Hinweis
1. Erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen (im Streitjahr) bis zu 8.004 EUR im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG).
2. Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich ebenso nach dem Zivilrecht wie die Unterhaltsbedürftigkeit (BFH, Urteil vom 28.3.2012, VI R 31/11, BFH/NV 2012, 1233, BFH/PR 2012, 196). Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige unterhaltsverpflichtet ist. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen des Steuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig ist (§ 1602 BGB; BFH, Urteil vom 5.5.2010, VI R 29/09, BFH/NV 2010, 1897). Darüber hinaus ist § 1603 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Dabei kommt es auf das Vermögen und die Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten (sog. Nettoeinkommen) an (BFH, Urteil vom 6.2.2014, VI R 34/12, BFH/NV 2014, 1251, BFH/PR 2014, 269).
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs können daher Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben. Bei dieser sog. Opfergrenze handelt es sich um ein von der Finanzverwaltung und ihr folgend der Rechtsprechung entwickeltes spezifisches steuerrechtliche Verständnis der zivilrechtlichen Leistungsfähigkeit (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 6.2.2014, VI R 34/12, BFH/NV 2014, 1251, BFH/PR 2014, 304, m.w.N.).
4. Zum Nettoeinkommen gehören im Wesentlichen alle steuerpflichtigen Einkünfte i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG und alle steuerfreien Einnahmen. Allerdings gelten die steuerrechtlichen Maßstäbe im Unterhaltsrecht nicht uneingeschränkt. So sind die Einkünft...