Tanja Castor, Stefan Schnell
Zusammenfassung
Die langfristige "license to operate" – die gesellschaftliche Akzeptanz des unternehmerischen Handelns – wird für Unternehmen immer wichtiger. Die hierfür gewünschten Informationen werden u. a. mit Hilfe der Nachhaltigkeitsberichterstattung an die Stakeholder kommuniziert.
Das Praxis-Beispiel BASF zeigt, wie die integrierte Berichterstattung bereits seit 2007 wesentliche finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Themen im Lagebericht vereint. Das geschaffene tiefe Verständnis der Wechselwirkungen zwischen ESG- und Finanzleistung wirkt über die reine Berichterstattung hinaus und soll im besten Fall für eine integrierte Denkweise (Integrated Thinking) und in der Folge ein integriertes Steuern (Integrated Steering) des Unternehmens sorgen und dadurch die Nachhaltigkeit tief in der Unternehmens-DNA verwurzeln. Dabei wird deutlich, dass eine umfassende Steuerung von Nachhaltigkeitsaspekten immer eine cross-funktionale Aufgabe sein wird.
1 Entwicklung der Berichterstattung am Beispiel der BASF
Rz. 1
Vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen werden Unternehmen spätestens seit den 1970er Jahren nicht mehr allein nach ihrer wirtschaftlichen Leistung beurteilt. Aufgrund von Schadensereignissen mit enormen Auswirkungen in den 1970ern und 1980ern war v. a. die Chemieindustrie im kritischen Fokus der Öffentlichkeit. Gesellschaftliches Vertrauen in die Industrieaktivitäten musste zurückgewonnen werden, um die langfristige "license to operate" – die gesellschaftliche Akzeptanz des unternehmerischen Handelns – zu sichern.
Rz. 2
Die daraus resultierenden Anforderungen ihrer "Stakeholder" an regelmäßige Informationen aus den Bereichen Soziales sowie Umwelt griff BASF durch neue Berichtsformate auf. Beginnend mit Sozialberichten in den 1970ern, wurde aufgrund steigender Stakeholder-Relevanz in den 1980ern eine Umweltberichterstattung ergänzt. Zu allen 3 Säulen der Nachhaltigkeit wurde seit den 2000er Jahren zunächst in separaten Berichten, später in einem zusammengefassten Bericht gemeinsam mit dem bestehenden Finanzbericht Transparenz geschaffen.
2 Frühzeitige Umstellung auf integrierte Berichterstattung – Beweggründe
Rz. 3
Seit dem Jahr 2007 wendet BASF als Vorreiter das Konzept der integrierten Berichterstattung an. Was zunächst mit einer kombinierten Darstellung der bisher getrennten Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung im Lagebericht begann, entwickelte sich im Zeitverlauf zu einer vollintegrierten Berichterstattung der wesentlichen finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Themen. Besonderer Fokus liegt bei dem verfolgten Konzept der integrierten Berichterstattung auf der Darstellung relevanter Interdependenzen, d. h. Wirkzusammenhängen zwischen nachhaltigkeitsbezogener und finanzieller Performance.
Mit einer konsequenten Anwendung des integrierten Berichtskonzepts können Unternehmen sowohl interne Ziele als auch Ziele in Bezug auf die externe Wahrnehmung und die sich ändernden Bedürfnisse relevanter Nutzer von Berichtsinformationen, wie z. B. Finanzmarktakteure, Ratingagenturen oder Experten aus der Zivilgesellschaft, optimal verfolgen.
Rz. 4
Relevante interne Beweggründe für die Umstellung auf integrierte Berichterstattung waren:
- Das Bestreben, die Unternehmensstrategie adäquat zu reflektieren, in der Nachhaltigkeit vollumfänglich integriert betrachtet wird.
- Der Anspruch, die nationale und internationale Vorreiterrolle in der Berichterstattung auszubauen.
- Prozesseffizienzen generieren durch Zusammenlegung paralleler Abstimmungsprozesse und teils redundanter Berichtsinhalte wie z. B. wesentliche Finanzinformationen, die sowohl Teil des damaligen Unternehmensberichts als auch des Finanzberichts waren.
Als Ziele für die externe Wahrnehmung galten:
- Durch frühe Veröffentlichung der nachhaltigkeitsbezogenen Informationen im integrierten Lagebericht zur Bilanzpressekonferenz Ende Februar sollte das Aufmerksamkeitslevel der Finanzmarktakteure für diese bislang nachgelagert zur Verfügung gestellten ESG-Informationen gesteigert werden (awareness raising).
- Gleichrangige Darstellung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Performance soll Finanzmarktakteuren eine holistische Bewertung der Unternehmensleistung ermöglichen.
- Erwartungshaltung, alle wesentlichen finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Kapitalströme abgeleitet aus einer (doppelten) Wesentlichkeitsanalyse/Materialitätsanalyse im Lagebericht darzustellen.
Rz. 5
Aufgrund der sich enorm dynamisch entwickelnden Reportinglandschaft kann die integrierte Berichterstattung als ein kontinuierlicher Lern- und Weiterentwicklungsprozess gesehen werden, der sich erfahrungsgemäß durch folgende Meilensteine auszeichnet:
- die Erfassung verschiedener Kapitalströme und die Darstellung der jeweiligen Inputs, Outputs, Outcomes und Impacts,
- die Berichterstattung zu wesentlichen nachhaltigkeitsbezogenen Risiken und Chancen,
- Einführung nachhaltigkeitsbezogener bedeu...