Leitsatz
Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind ("Bedarfsabfindung"), liegt keine freigebige Zuwendung vor.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 ErbStG, § 158 Abs. 1, § 1363 Abs. 2 Satz 2, § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin schloss anlässlich ihrer Eheschließung im Jahr 1998 mit ihrem früheren Ehemann E einen notariell beurkundeten Ehevertrag, in dem u.a. der gesetzliche Versorgungsausgleich zugunsten einer Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht ausgeschlossen und der nacheheliche Unterhalt begrenzt wurde. Es wurde der Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Der Klägerin wurde ein indexierter und von der Dauer der Ehe abhängiger Zahlungsanspruch "im Falle der Scheidung" eingeräumt.
Die Ehe wurde im Jahr 2014 geschieden. E zahlte an die Klägerin den im Ehevertrag vereinbarten Betrag. Das FA sah darin eine freigebige Geldzuwendung und setzte daher gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG München, Urteil vom 2.5.2018, 4 K 3181/16, Haufe-Index 13609200, EFG 2020, 796).
Entscheidung
Der BFH gab der Revision der Klägerin statt und hob den Schenkungsteuerbescheid auf. Die Zahlung des E erfülle weder den objektiven noch den subjektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der differenziert zu beurteilenden schenkungsteuerrechtlichen Bedeutung von Zahlungen unter Ehegatten zu Beginn und bei Scheidung einer Ehe.
1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
a) Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers. Dabei kommen als die Unentgeltlichkeit ausschließende und die Entgeltlichkeit begründende rechtliche Abhängigkeiten Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht.
b) Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes einer freigebigen Zuwendung bedarf es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen. Der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entfällt, wenn der Zuwendende seine Leistung – wenn auch irrtümlich – als entgeltlich ansieht. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un‐)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst.
2. Die Zahlung einer "Pauschalabfindung" unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichanspruchs vor Eingehung der Ehe erfüllt als freigebige Zuwendung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn diese Zahlung wird weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts des Preisgebenden noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt. Ein die Pauschalabfindung rechtfertigendes Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht, denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet (§§ 1363 Abs. 2 Satz 2, 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB).
Der Verzicht auf den möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleich gegen eine Pauschalabfindung erfüllt zudem die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 ErbStG. Nach dieser Vorschrift werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Vor Beginn der Ehe ist ungewiss, ob und wann die Ehe wieder geschieden oder die Zugewinngemeinschaft aus anderen Gründen beendet wird. Bis zur Entstehung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich können sich zudem noch gravierende Veränderungen ergeben. Die Zugewinnausgleichsforderung kann in der Person des Zuwendungsempfängers entweder gar nicht oder nicht in der im Zeitpunkt der Zuwendung erwarteten Höhe entstehen oder der Zuwendungsempfänger kann umgekehrt sogar selbst Schuldner einer Zugewinnausgleichsforderung werden.
3. Etwas anderes gilt jedoch bei einer "Bedarfsabfindung". Diese liegt vor, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung – abweichend von den gesetzlichen Leitbildern – umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe – z.B. durch Scheidung – Zahlungen eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind.
a) In dem Fall einer Bedarfsabfindung wird keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durc...