OFD Frankfurt, Verfügung v. 28.8.1997, S 1300 A - 15 - St III 1 a
1. Allgemeines
Bei Berufskraftfahrern, zu denen auch Auslieferungsfahrer, nicht aber Reisevertreter zählen, richtet sich die eventuelle Steuerfreistellung des Arbeitslohns, der auf Auslandstätigkeiten in DBA-Staaten entfällt, nach der so.g. „183-Tage-Klausel”, die in allen von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten ist. Einzelheiten hierzu, insbesondere zur Ermittlung des 183-Tage-Zeitraums und der Höhe des ggf. freizustellenden anteiligen Arbeitslohns, ergeben sich aus den BMF-Schreiben vom 5.1.1994, IV C 5 - S 1300 - 197/93 (BStBl 1994 I S. 11) und vom 5.7.1995, IV C 5 - S 1300 - 73/95 (BStBl 1995 I S. 373).
2. Ermittlung der 183 Tage
Zur Ermittlung der 183 Tage kommt es bei der Anwendung von DBA, die – wie es weitaus überwiegend der Fall ist – eine dem Art. 15 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) entsprechende Regelung enthalten, darauf an, in welchem Staat die nichtselbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Entscheidend ist die durch die berufliche Tätigkeit veranlaßte – körperliche Anwesenheit (Aufenthaltstage). Mehrere Aufenthalte im gleichen Tätigkeitsstaat innerhalb eines Steuerjahres (OECD-MA i.d.F. von 1977) sind für die Überprüfung der 183-Tage-Grenze zusammenzurechnen. Ganz und nicht nur zeitanteilig mitzuzählen sind dabei – in der Regel – auch Tage bloßer Teilanwesenheit, d.h. Tage, an denen der Steuerpflichtige nur kurzfristig im Tätigkeitsstaat anwesend ist.
Hinsichtlich der Bestimmung des Tätigkeitsstaates sind bei Berufskraftfahrern folgende Besonderheiten zu beachten:
Ein Berufskraftfahrer hat seine (regelmäßige) Arbeitsstätte in seinem Fahrzeug. Der Ort der Arbeitsausübung liegt demzufolge zwangsläufig dort, wo er sich mit seinem Fahrzeug gerade aufhält bzw. fortbewegt. Ob es sich dabei um reine Transitstrecke handelt, weil der Endpunkt des Transports in einem anderen Staat liegt, ist dabei ohne Bedeutung. Nach den für die Auslegung von DBA geltenden Grundsätzen erfordert das „Arbeitsortprinzip” grundsätzlich keine Verwurzelung der Arbeitseinkünfte mit der Wirtschaft des Tätigkeits -/Quellenstaats ( BFH-Urteil vom 28.9.1990, VI R 157/89, BStBl 1991 II S. 86). Das bedeutet, daß bei Berufskraftfahrern die An- und Abreisetage bei Fahrten durch mehrere Staaten nicht allein dem jeweiligen Zielstaat, sondern jedem durchfahrenen Staat und dem Zielstaat gesondert zuzuordnen sind. Fährt ein im Inland ansässiger Berufskraftfahrer beispielsweise im maßgeblichen Steuerjahr in regelmäßigen Abständen (etwa 2 × wöchentlich) nach England, sind für die Frage der Zuweisung des Besteuerungsrechts neben dem DBA-Großbritannien die DBA der Staaten maßgeblich, durch die der Kraftfahrer fährt, um nach England zu gelangen (z.B. Frankreich, Belgien, Niederlande), und zwar jeweils für den Zeitraum, den der Kraftfahrer zur Fahrt durch das jeweilige Land benötigt. Deshalb kann im Beispielfall davon ausgegangen werden, daß sich der Kraftfahrer in keinem der einzelnen Vertragsstaaten mehr als 183 Tage im Steuerjahr aufgehalten hat und daher in der Regel der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht.
Allerdings ist zu beachten, daß – wie eingangs ausgeführt – hinsichtlich der Ermittlung der 183-Tage-Grenze nur volle Tage zählen. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn an einem Tag mehrere Staaten berührt werden und zu entscheiden ist, welchem der ausländischen Staaten dieser Tag als Anwesenheitstag zuzuordnen ist. Die Lösungen, die in dem BFH-Urteil vom 28.9.90 (a.a.O.) gefunden wurden, sind insoweit nicht mehr anwendbar, weil in allen Fällen die Anwendung der 183-Tage-Regelung nicht in Betracht kam und damit nicht Gegenstand des Rechtsstreits war (DBA Italien 1925, § 3 Nr. 63 EStG, 1987, DBA Singapur i.V.m. § 49 EStG).
Auch ist darauf zu achten, daß bei Berufskraftfahrern Tage der Hin- und Rückreise bei Berechnung der 183-Tage-Grenze nicht als Anwesenheitstage im Tätigkeitsstaat mitgezählt werden, wenn die Ausreise aus dem Ansässigkeitsstaat in den Tätigkeitsstaat und die Rückkehr in den Ansässigkeitsstaat am selben Tag erfolgen. Tage, an denen der Berufskraftfahrer in einen Tätigkeitsstaat A einreist und am selben Tag in einen Tätigkeitsstaat B weiterreist, gelten als Anwesenheitstage im Tätigkeitsstaat B, es sei denn, die Rückreise in den Ansässigkeitsstaat erfolgt ebenfalls am selben Tag. Im letzteren Fall, bei Rückkehr in den Ansässigkeitsstaat aus den Tätigkeitsstaaten A und B am selben Tag wie am Einreisetag in beide Staaten, gilt dieser Tag für die Anwendung der 183-Tage-Regelung weder als Anwesenheitstag im Tätigkeitsstaat A noch im Tätigkeitsstaat B. Bruchteile von Tagen, die für die Fristberechnung (nach vollen Tagen) nicht von Bedeutung sind, können allerdings bezüglich der Höhe des freizustellenden Arbeitslohns von Interesse sein. Ohne Belang ist es, wo der wirtschaftliche Erfolg der Tätigkeit eintritt.
Beispiel 1:
Der in Dillenburg ansässige Berufskraftfahrer fährt am 6.8.1997 um 8.00 Uhr von Köln nach Lüttich (B) und kehrt a...