Leitsatz
1. Ob und in welchem Umfang die Aufwendungen für das Herrichten eines häuslichen Arbeitszimmers für eine nachfolgende berufliche Tätigkeit als Werbungskosten abziehbar sind, bestimmt sich nach den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit. Nicht entscheidend ist, ob die beabsichtigte berufliche Nutzung im Jahr des Aufwands bereits begonnen hat.
2. Bei einem Steuerpflichtigen, der eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung wöchentlich an drei Tagen an einem häuslichen Telearbeitsplatz und an zwei Tagen im Betrieb seines Arbeitgebers zu erbringen hat, liegt der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Versicherungsmathematiker, richtete sich nach Maßgabe einer Betriebsvereinbarung einen häuslichen Telearbeitsplatz ein. Zugleich reduzierte sein Arbeitgeber die betrieblichen Büroflächen und Schreibtische. Die Technik des Telearbeitsplatzes stellte der Arbeitgeber zur Verfügung. Zum Schutz und zur Sicherheit personenbezogener und unternehmensinterner Daten hatte der Kläger zu Hause zahlreiche Schutzmaßnahmen zu treffen. Eine Aufwandsentschädigung erhielt der Kläger nicht.
In seiner ESt-Erklärung für 1998 machte der Kläger die Kosten für die Einrichtung des Telearbeitsplatzes bzw. die Renovierung des betreffenden Raums als Werbungskosten geltend. Der Raum werde seit Februar 1999 im Rahmen der Telearbeit als häusliches Arbeitszimmer genutzt.
Nachdem der Kläger im gerichtlichen Verfahren eine Bescheinigung des Arbeitgebers vorgelegt hatte, dass er seit Februar 1999 wöchentlich an zwei Tagen im Unternehmen und drei Tage zu Hause gearbeitet hatte, anerkannte das FA Aufwendungen i.H.v. 2.400 DM. Die Klage blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der Betätigungsmittelpunkt des Klägers befinde sich – entsprechend der o.a. Praxis-Hinweise – in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Die Kosten für das Herrichten des häuslichen Telearbeitsplatzes seien in unbeschränkter Höhe abziehbar. Welche Kosten im Einzelnen anzuerkennen seien, habe das FG noch zu prüfen.
Hinweis
Der Besprechungsentscheidung kommt aus mehreren Gründen erhebliche Bedeutung zu.
1. Der BFH wiederholt nochmals die insbesondere in den Urteilen vom 2.12.2005, VI R 63/03, BFH-PR 2006, 151 und vom 9.11.2005, VI R 19/04, BFH-PR 2006, 144 dargelegten Rechtsgrundsätze zu vorab entstandenen Erwerbsaufwendungen bei häuslichen Arbeitszimmern.
Ob und in welchem Umfang die Kosten für das Herrichten eines häuslichen Arbeitszimmers für eine nachfolgende berufliche Tätigkeit als Erwerbsaufwendungen abziehbar sind, bestimmt sich im Hinblick auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nach den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit. Darauf, ob die beabsichtigte berufliche Nutzung im Jahr des Aufwands bereits begonnen hat, kommt es nicht an. Allerdings sind die in der genannten Vorschrift enthaltenen gesetzlichen Abzugsbeschränkungen auch bei vorab entstandenen Erwerbsaufwendungen zu beachten.
2. Wichtig war im Streitfall auch die Abgrenzung zwischen der rein quantitativen Betrachtungsweise des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG (u.a. mehr als 50 % der Gesamttätigkeit – Folge: Begrenzung der abziehbaren Kosten auf 2.400 DM bzw. 1.250 €) und der qualitativen Betrachtungsweise des Satzes 3EStG (Betätigungsmittelpunkt – Folge: unbeschränkter Abzug der Kosten).
Nach den den BFH bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG hatte der Kläger an sämtlichen Wochentagen gleichartige Arbeitsleistungen erbracht, die in qualitativer Hinsicht gleichwertig waren. Gleichwohl meinte das FG, (nur) Satz 2 – mit einer rein quantitativen Wertung – anwenden zu können. Zu Unrecht.
Werden – wie hier – in qualitativer Wertung gleichartige und damit gleichwertige Arbeitsleistungen (alternierend) an drei Tagen an einem häuslichen Arbeitsplatz und an zwei Tagen im Betrieb des Arbeitgebers erbracht, so kann sich der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung nur im häuslichen Arbeitszimmer befinden.
Angesichts dieser qualitativen Wertung konnte die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG nicht zur Anwendung kommen.
3. Wichtig erscheint auch folgender Hinweis, den der BFH beiläufig erwähnte. Er hat offenbar nicht unerhebliche Bedenken, ob die gesetzlichen Abzugsbeschränkungen ohne weiteres auf Aufwendungen eines Arbeitnehmers für bestimmte Formen häuslicher Telearbeitsplätze übertragen werden können.
Arbeitgeber gehen immer häufiger dazu über, Telearbeitsplätze einzurichten. Aus Kostengründen werden betriebliche Arbeitsplätze ausgelagert; Telearbeitsplätze ersetzen mehr oder weniger das betriebliche Büro. So kann z.B. eine Eingliederung in den Betrieb oder in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers trotz der räumlichen Trennung aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Telearbeit in einer Reihe von Konstellationen vorliegen.
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