Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Altenpflegeheim entstehen, stellen als Krankheitskosten eine außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG dar. Abziehbar sind neben den Pflegekosten auch die Kosten, die auf die Unterbringung und Verpflegung entfallen, soweit es sich hierbei um gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten handelt.
2. Eine Aufteilung derartiger Kosten in Unterhaltskosten i.S.v. § 33a EStG und Krankheitskosten i.S.v. § 33 EStG kommt nicht in Betracht.
3. Bei Unterhaltsaufwendungen besteht kein Wahlrecht zwischen einem Abzug nach § 33 EStG oder nach § 33a EStG (§ 33a Abs. 5 EStG).
Normenkette
§ 33 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 S. 1 Buchst. b, § 33a Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Die Eheleute K machten bei einem Gesamtbetrag ihrer Einkünfte von 73 180 EUR Aufwendungen von 1 316 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Diesen Betrag hatte die Stadt A von K für die Kosten der Unterbringung des Vaters (Schlaganfall mit Pflegestufe II) in einem Altenpflegeheim gefordert. Die Heimunterbringung kostete insgesamt 37 700 EUR. Hiervon hatte der Vater 9 440 EUR, die Pflegeversicherung 22 344 EUR und den Rest A (Sozialamt) getragen. Der Vater hatte von seiner Rente von 24 000 EUR seiner Ehefrau (Ks Mutter) Unterhalt i.H.v. 15 229 EUR im Einvernehmen mit dem Sozialamt gewährt. Das FA berücksichtigte Ks Unterhaltsaufwendungen nicht. Die Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2010, 11 K 1996/08 E, Haufe-Index 2316351, EFG 2010, 965).
Entscheidung
Der BFH wies aus den unter Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen die Revision zurück.
Hinweis
Das Besprechungsurteil veranschaulicht die beiden unterschiedlichen Arten der Aufwendungen, die § 33 EStG einerseits und § 33a EStG andererseits erfasst. Es führt insoweit die bisherige – im Urteil auch zitierte – Rechtsprechung des BFH fort.
1. Aufwendungen für Unterhalt können nach § 33a Abs. 1 EStG abgezogen werden. Diese Norm erfasst allerdings nur übliche, typische Aufwendungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts, nicht den "gesamten Lebensbedarf" i.S.d. § 1610 Abs. 2 BGB. Untypische Unterhaltsleistungen, die einen besonderen und außergewöhnlichen Bedarf abdecken (z.B. Krankheits- oder Pflegekosten) werden durch § 33 EStG berücksichtigt (vgl. BFH, Urteil vom 19.06.2008, III R 57/05, BFH/NV 2008, 1920, BFH/PR 2009, 3). Diese Unterscheidung führt der VI. Senat fort: § 33 EStG erfasst Aufwendungen für krankheitsbedingte Unterbringung in Altenpflegeheimen, § 33a Abs. 1 EStG Aufwendungen für eine altersbedingte Heimunterbringung (z.B. BFH, Urteil vom 11.02.2010, VI R 61/08, BFH/NV 2010, 1326, BFH/PR 2010, 298). Ein Wahlrecht zwischen § 33 EStG und § 33a EStG besteht nicht (vgl. § 33a Abs. 5 EStG).
2. Daher sind die Kosten für die Unterbringung des durch den schweren Schlaganfall pflegebedürftigen Vaters nicht nach § 33a Abs. 1 EStG, sondern nach § 33 EStG zu berücksichtigen. Im Urteilsfall scheiterte der Abzug allein an der zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG: 6 % von 73 180 EUR = 4 390 EUR).
3. Die Kosten waren auch nicht in Unterhaltskosten i.S.v. § 33a EStG und Krankheitskosten i.S.v. § 33 EStGaufzuteilen. Denn K wurde nur wegen krankheitsbedingter Mehrkosten, die unter § 33 EStG fallen, vom Sozialamt in Anspruch genommen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.06.2011 – VI R 14/10