Kommentar
Ein Ausbildungsfreibetrag wird gewährt, wenn dem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die Berufsausbildung u. a. eines volljährigen Kindes erwachsen, für das er einen Kinderfreibetrag erhält und das in seinem Haushalt untergebracht ist ( § 33a Abs. 2 EStG ). Zu den Aufwendungen für die Berufsausbildung gehören sowohl solche Ausgaben, die unmittelbar das Erlangen von fachlichen Fähigkeiten und Kenntnissen betreffen, als auch grundsätzlich alle Aufwendungen , die durch die Ausbildung zu dem gewählten Beruf an einem bestimmten Ort veranlaßt sind, insbesondere also auch die Kosten der Unterbringung am Studienort, Studiengebühren, Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte usw.
Entstehen Aufwendungen dieser Art, ist der Ausbildungsfreibetrag dem Steuerpflichtigen unabhängig davon zu gewähren, wie hoch die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen (i.d.R. der Eltern) sind. Solche Aufwendungen können den Eltern laufend (z. B. Unterbringungskosten), gelegentlich (z. B. Fachbücher) oder auch nur einmalig (z. B. Anschaffung eines Computers) entstehen.
Grundsätzlich muß zwar geprüft werden, ob dem Steuerpflichtigen (den Eltern) in jedem Kalendermonat des Veranlagungszeitraums derartige Aufwendungen entstanden sind. Erwachsen nicht in jedem Kalendermonat eines Veranlagungszeitraums solche Aufwendungen , fehlt es an einer der Voraussetzungen für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags mit der Folge, daß dieser zeitanteilig (je Monat um ein Zwölftel) zu kürzen ist ( § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG ). Es widerspräche jedoch dem Sinn und Zweck dieser Regelung, zu prüfen, ob die Eltern in jedem Monat tatsächlich Ausgaben geleistet haben. Daher hält es der BFH für geboten, dem Steuerpflichtigen (regelmäßig den Eltern) erwachsene Aufwendungen den Kalendermonaten zuzurechnen, die sie wirtschaftlich betreffen, auch wenn diese Ausgaben möglicherweise in einem anderen Monat geleistet worden sind.
Da den Eltern erfahrungsgemäß neben den laufenden Ausgaben auch solche für größere Anschaffungen und für periodenbezogene Aufwendungen erwachsen, kann typisierend davon ausgegangen werden, daß in jedem Kalendermonat Ausbildungskosten anfallen, wenn sich das Studium einschließlich der unterrichts- bzw. vorlesungsfreien Zeiten über den ganzen Veranlagungszeitraum erstreckt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.03.1996, III R 7/93
Zur Erläuterung:
Im Streitfall waren den Eltern laufend Aufwendungen für ihre bei ihnen wohnende und in einer anderen Stadt studierende Tochter erwachsen. Die Tochter hatte in den Semesterferien, nämlich in den Monaten März, August und September, einen Bruttoarbeitslohn von 6.311 DM erzielt.
Bei diesem Sachverhalt gingen die Eltern davon aus, daß ihnen – außer für die Monate März, August und September – der Ausbildungsfreibetrag anteilig in Höhe von 1.350 DM (1.800 DM ./. 450 DM) zugestanden habe. Das Finanzamt lehnte jedoch die Gewährung des Ausbildungsfreibetrags in vollem Umfang ab. Der Bundesfinanzhof bestätigte in der vorstehend mitgeteilten Entscheidung die Auffassung des Finanzamts und führte aus:
Den Eltern habe zwar für ihre Tochter ein Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1.800 DM zugestanden. Auf diesen Freibetrag seien jedoch die von der Tochter im Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte anzurechnen gewesen, soweit diese 2.400 DM (derzeit 3.600 DM) überstiegen ( § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG ). Da die Ausbildung das ganze Jahr angedauert habe, finde eine Ermäßigung nach Monaten gem. § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht statt. Deshalb sei es im Streitfall ohne Bedeutung , in welchen Monaten die Tochter der Kläger ihre Einkünfte erzielt habe. Dem ist zuzustimmen. Denn eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes mindern den Ausbildungsbetrag nur dann, wenn diese Einkünfte bzw. Bezüge auf sog. Kürzungsmonate entfallen, d. h. auf solche Monate, in denen die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 EStG dem Grunde nach nicht vorliegen und deshalb anteilig ein Ausbildungsfreibetrag nicht zu gewähren ist.