Leitsatz
1. Zum Einfluss einer Änderung des OECD-Musterkommentars auf die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen.
2. Ein Lichtdesigner ist werkschaffend tätig, wenn er das später zur Aufführung gebrachte Lichtdesign vorab entwickelt und sein Werk sodann vor der eigentlichen Aufführung lediglich an die lokalen Verhältnisse anpasst, ohne noch im Rahmen der (späteren) Aufführungen auf das Werk Einfluss zu nehmen. Anders ist es dann, wenn er sein Werk – nach Art eines Performance-Künstlers – vor dem Publikum schafft.
Normenkette
Art. 23A Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, Art. 17 OECD-MustAbk, DBA-Frankreich, DBA-Schweiz, DBA-Schweden, Art. 31 WÜRV, Art. 25 GG
Sachverhalt
Der Kläger war als Lichtdesigner an verschiedenen Opernhäusern im Ausland (u.a. Frankreich, Schweden, Schweiz) tätig. Die Honorare wurden nach Abzug von Quellensteuern ausbezahlt. In Arbeitgeberbescheinigungen aus Frankreich, Schweden und der Schweiz sind insoweit nichtselbstständige Einkünfte ausgewiesen. Der Kläger legte seinen Steuererklärungen diese Bescheinigungen zugrunde und behandelte die Einkünfte als steuerfrei.
Dagegen qualifizierte das FA die ausländischen Einnahmen insgesamt als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und unterwarf sie der inländischen Besteuerung, ohne die einbehaltenen Quellensteuerbeträge anzurechnen. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage teilweise statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.7.2015, 15 K 1093/10, Haufe-Index 9876719, EFG 2017, 1936).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Hinweis
1. Die Hauptbedeutung der Entscheidung liegt in den Aussagen zur Abkommensauslegung. Der BFH bestätigt zum einen seine Rechtsprechung, wonach Änderungen des OECD-Musterkommentars grundsätzlich keinen Einfluss für die Auslegung von älteren unverändert gebliebenen DBA haben. Zum anderen – und das ist neu – stellt der BFH fest, dass die geänderte Musterkommentierung bei einer späteren Änderung des DBA nur dann bei der Auslegung berücksichtigt werden kann, wenn sich die Musterkommentierung in einem geänderten Abkommenswortlaut und einem entsprechenden Transformationsgesetz niedergeschlagen hat.
2. Änderung der OECD-Musterkommentierung: Im Streitfall war es zu einer solchen Änderung gekommen. Im OECD-Musterkommentar wird ab dem Jahr 2000 ein sog. new approach vertreten. Danach soll der Methodenartikel 23A des OECD-MA so zu verstehen sein, dass der Ansässigkeitsstaat an die Einkünftequalifikation des Quellenstaats "gebunden" wird (sog. Qualifikationsverkettung). Im Streitfall ging es z.B. konkret darum, ob Deutschland als Ansässigkeitsstaat an die Qualifikation der Einkünfte des steuerpflichtigen Lichtdesigners im Quellenstaat Frankreich (den französischen Arbeitgeberbescheinigungen lagen Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit zugrunde) im Sinne einer Qualifikationsverkettung gebunden ist oder ob die Einkünfte nach den Maßgaben des deutschen nationalen Steuerrechts (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) – ggf. abweichend – als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zu qualifizieren sind.
3. Unverändert gebliebenes DBA: Die zeitliche Abfolge stellt sich hier so dar, dass ein DBA abgeschlossen und durch deutsches Transformationsgesetz in die inländische Rechtsordnung integriert wird. Später kommt es zu einer Änderung des OECD-Musterkommentars. Der BFH hat für diese Situation schon bisher einen streng statischen Auslegungsmodus vertreten und damit – gegen die Auffassung der Finanzverwaltung – einer dynamischen Abkommensauslegung eine Absage erteilt. Daran hält der BFH uneingeschränkt fest. Das wirkte sich im Streitfall in Bezug auf das DBA-Schweden so aus, dass die Behandlung der Einkünfte des Lichtdesigners unabhängig von den schwedischen Arbeitgeberbescheinigungen vorzunehmen ist.
4. Abgeändertes DBA: Im Streitfall waren zeitnah zur Änderung der OECD-Musterkommentierungen das DBA-Frankreich und das DBA-Schweiz geändert worden. Der BFH verlangt, dass sich die geänderte Musterkommentierung "irgendwie" in einem geänderten Abkommenswortlaut niedergeschlagen haben muss. "Auslegungstechnisch" hat die geänderte Musterkommentierung damit denselben Stellenwert wie Gesetzesmaterialien (z.B. BT-Drucks.) bei der Auslegung "normaler" nationaler Gesetze. Finden die Auffassungen der "Kommentatoren" im Gesetzestext keine Stütze oder werden sie durch teleologische Überlegungen verdrängt, dann muss das Gericht Recht abweichend von der Meinung des Kommentars sprechen. Maßgeblich ist für den BFH der Grundsatz der Gewaltenteilung, der allein den Gerichten das Recht und die Pflicht zuweist, den Inhalt des deutschen (Tranformations-)Gesetzes zu bestimmen. Da im Streitfall die punktuellen DBA-Änderungen mit dem sog. new approach nichts zu tun hatten, waren die beiden genannten DBA für Deutschland als Ansässigkeitsstaat nach herkömmlichem Verständnis ohne sog. Qualifikationsverkettung anzuwenden.
5. Der BFH hat schließlich seine Rechtsprechung zum DBA-Künstlerartikel dahingehend fortentwickelt, dass es bei der Tätigk...