BMF, Schreiben v. 10.10.1995, IV A 5 - S 0600 - 17/95
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben vom 3.7.1992 (IV A 5 - S 0361 - 19/92, BStBl 1992 I S. 404) wie folgt geändert:
I. Zuständigkeitswechsel durch Maßnahmen des Steuerpflichtigen (insbesondere Wohnsitzverlegung)
1. Einspruchsverfahren
Wird während eines anhängigen Einspruchsverfahrens nachträglich eine andere Finanzbehörde für den Steuerfall zuständig, so entscheidet diese Finanzbehörde über den Einspruch, wenn keine Vereinbarung nach § 26 Satz 2 AO getroffen worden ist (§ 367 Abs. 1 Satz 2 AO).
Unter der "zuständigen Finanzbehörde" i.S.d. § 354 Abs. 2 AO, der gegenüber ein Einspruchsverzicht zu erklären ist, ist die für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens (insbesondere des Besteuerungsverfahrens) sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde zu verstehen. Da § 354 AO keine besonderen Regelungen enthält, sind über § 365 Abs. 1 AO die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der AO anzuwenden. Nach Eintritt eines Zuständigkeitswechsels ist daher die Verzichtserklärung gegenüber der neu zuständigen Finanzbehörde und in den Fällen des § 26 Satz 2 AO gegenüber der das Verwaltungsverfahren fortfahrenden Finanzbehörde zu erklären.
2. Gerichtliches Rechtsbehelfsverfahren
Nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist bei vorangegangenem Einspruchsverfahren die Klage gegen die Behörde zu richten, welche die Einspruchsentscheidung erlassen hat; das ist bei einem Zuständigkeitswechsel vor Erlaß der Einspruchsentscheidung die neu zuständige Finanzbehörde und bei einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 26 Satz 2 AO die bisher zuständige, das Verwaltungsverfahren weiterführende Finanzbehörde (vgl. § 367 Abs. 1 AO). Durch einen Zuständigkeitswechsel nach Erlaß der Einspruchsentscheidung wird die Passivlegitimation nicht berührt.
In Fällen der unmittelbaren Klage nach § 46 FGO ist die Behörde passivlegitimiert, die im Zeitpunkt der Klageerhebung zuständig war. Ein erst nach Klageerhebung eintretender Zuständigkeitswechsel hat keine Auswirkungen auf die Passivlegitimation.
II. Zuständigkeitswechsel durch Änderung der FA-Bezirksgrenzen oder Übertragung von Verwaltungsaufgaben
Bei einer Änderung der FA-Bezirksgrenzen (z.B. durch kommunale Neugliederung) oder einer Übertragung von Verwaltungsaufgaben (z.B. durch Zentralisierung) verliert die bisher zuständige Finanzbehörde im Verhältnis zu den von der Veränderung betroffenen Steuerpflichtigen die Fähigkeit, Pflichtsubjekt des öffentlichen Rechts zu sein (vgl. BFH vom 15.12.1971, BStBl 1972 II S. 438 und vom 10.11.1977, BStBl 1978 II S. 310; siehe auch BFH vom 7.11.1978, BStBl 1979 II S. 169).
1. Einspruchsverfahren
Für das Einspruchsverfahren ergibt sich der Übergang der Entscheidungskompetenz auf die neu zuständige Finanzbehörde ausdrücklich aus § 367 Abs. 1 Satz 2 AO.
Zur Frage des zutreffenden Adressaten eines Einspruchsverzichts gelten die Ausführungen zu I.1. entsprechend.
2. Gerichtliches Rechtsbehelfsverfahren
Im finanzgerichtlichen Verfahren geht die Passivlegitimation auf die nunmehr zuständige Behörde über, wenn vor Erlaß der Entscheidung über den Einspruch eine andere Behörde zuständig geworden ist (§ 63 Abs. 2 FGO). Gleiches gilt, wenn der Zuständigkeitswechsel nach Erlaß der Einspruchsentscheidung eingetreten ist; die während eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens eintretende Zuständigkeitsänderung fährt zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel (vgl. BFH vom 15.12.1971, BStBl 1972 II S. 438; vom 19.2.1975, BStBl 1975 II S. 584 und vom 10.11.1977, BStBl 1978 II S. 310). Dies gilt auch bei einem Zuständigkeitswechsel während eines Revisionsverfahrens (vgl. BFH vom 19.11.1974, BStBl 1975 II S. 210 und vom 1.8.1979, BStBl 1979 II S. 714).
Dieses Schreiben tritt mit Wirkung ab 1.1.1996 an die Stelle des BMF-Schreibens vom 15.10.1979, IV A 6 - S 0600 - 14/79 (BStBl 1979 I S. 642).
Normenkette
AO § 367
Fundstellen
BStBl I, 1995, 664