Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Vertragsstrafenabrede in einem Formulararbeitsvertrag. unangemessene Benachteiligung
Orientierungssatz
- Auf die formularmäßige Vereinbarung von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen sind nach der Schuldrechtsreform grundsätzlich die §§ 305 bis 309 BGB anwendbar. Allerdings sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz BGB im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.
- Der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO ist eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit in diesem Sinne. Vertragsstrafenabreden in Formulararbeitsverträgen sind daher nicht auf Grund des Klauselverbots nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig, die Unwirksamkeit solcher Abreden kann sich jedoch aus § 307 BGB ergeben.
- Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird.
- Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Unangemessen ist eine Regelung, wonach eine Vertragsstrafe durch “schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst” verwirkt ist, weil sie nicht erkennen lässt, durch welche konkrete Pflichtverletzung die Vertragsstrafe verwirkt wird. Die auslösende Pflichtverletzung muss so klar bezeichnet sein, dass sich der Versprechende darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten zielen, sind unwirksam.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1, § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Mai 2004 – 19 Sa 360/04 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über einen im Wege der Widerklage verfolgten Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe gegen den Kläger.
Der Kläger war seit 1. Mai 2002 bei der Beklagten in deren Filiale in B… als Filialleiter beschäftigt. Grundlage war ein schriftlicher, von der Beklagten formularmäßig verwandter Arbeitsvertrag vom selben Tage. Dieser sah folgende Regelungen vor:
Ҥ 1 Einstellung
1. Der Arbeitnehmer wird ab 01.05.2002 als TEAMLEITUNG eingestellt.
…
§ 2 Probezeit
Das Arbeitsverhältnis wird zunächst für die Zeit vom 01.05.02 bis 30.07.02 (höchstens drei Monate) zur Probe eingegangen und endet mit Ablauf dieser Probezeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Wird das Arbeitsverhältnis über die Probezeit hinaus fortgesetzt, so geht es in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis über.
…
§ 4 Vergütung
…
2. Das vereinbarte Entgelt beträgt: Euro 2.052,–
…
§ 12 Vertragsstrafe, Schadensersatz
Tritt der/die Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er/sie das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der/die Arbeitnehmer/in an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Brutto-Monatsgehalt/-lohn zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen weitergehenden Schaden geltend machen.
…
§ 14 Kündigung
1. Dieser Arbeitsvertrag ist beiderseits mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats kündbar.
2. Soweit dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Vorschrift nur mit einer verlängerten Frist gekündigt werden darf, gilt diese verlängerte Kündigungsfrist auch für eine Kündigung seitens des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Eine verspätet zugegangene Kündigung gilt als Kündigung für den nächstzulässigen Zeitpunkt. Eine fristlose Kündigung gilt vorsorglich auch als fristgemäße Kündigung für den nächstzulässigen Zeitpunkt. Eine Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig.”
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos mit folgender Begründung:
“Durch die Auszubildende C… W… ist schriftlich bestätigt worden, dass Sie per SMS die zu der Zeit noch Minderjährige aufgefordert haben, Ihnen Rauschmittel zu besorgen. (Text wörtlich: Hi… C… hab zur Zeit totale Probleme. Kannst du mir Gras besorgen?)
Die SMS wurde auch von dem Freund von Frau W… gelesen und Ihre Mobilnummer identifiziert.
Durch unseren Anwalt abgeklärt, ist dies einwandfrei eine Aufforderung zu einer Straftat, zumal Sie als Filialleiter, also direkter Vorgesetzter der Frau W… eine Verantwortung gegenüber der Schutzbefohlenen haben.”
Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die er mit Schriftsatz vom 28. April 2003 zurücknahm. Zuvor hatte die Beklagte mit ihrer Klageerwiderung vom 3. Januar 2003 im Wege der Widerklage einen Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe in Höhe der vom Kläger mit seiner Klage angegebenen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 2.500,00 Euro geltend gemacht.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Vertragsstrafenabrede rechtswirksam sei und die Voraussetzungen für einen Anspruch gegeben seien. Der in dem Kündigungsschreiben dargestellte Sachverhalt rechtfertige eine außerordentliche Kündigung.
Die Beklagte hat beantragt,
den Kläger im Wege der Widerklage zu verurteilen, an sie 2.500,00 Euro zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2002.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Er hat die Vertragsstrafenabrede im Arbeitsvertrag für rechtsunwirksam gehalten, zumal sie auch für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der vereinbarten Probezeit außerordentlich gekündigt werde, eine Vertragsstrafe in Höhe von einem vollen Bruttomonatseinkommen trotz zweiwöchiger Kündigungsfrist vorsehe. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für einen Vertragsstrafenanspruch nicht gegeben. Insbesondere treffe der im Kündigungsschreiben enthaltene Vorwurf der Aufforderung zu einer Straftat nicht zu. Seine SMS sei ein bloßer Scherz gewesen. Im Übrigen habe das Gehalt laut Arbeitsvertrag nur 2.052,00 Euro betragen.
Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte kann die Zahlung einer Vertragsstrafe von dem Kläger nicht verlangen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die in dem von der Beklagten formularmäßig verwendeten Arbeitsvertrag enthaltene Vertragsstrafenabrede im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam gehalten und dabei im Wesentlichen ausgeführt:
1. Es bedürfe keiner abschließenden Entscheidung über die Berechtigung einer außerordentlichen Kündigung und das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Allerdings sei das Verhalten des Klägers als Vorgesetzter gegenüber einer minderjährigen Auszubildenden äußerst bedenklich. Es erscheine bereits zweifelhaft, ob die von ihm versandte SMS nicht ernst gemeint sei. Jedenfalls sei die mangelnde Ernsthaftigkeit dem Text der SMS nicht zu entnehmen, so dass eine reales Risiko bestanden habe.
2. Die Vertragsstrafenklausel sei nicht schon gem. § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Rechtslage die Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden nicht generell zu verneinen, weil als “Besonderheit des Arbeitsrechts” iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB der Umstand anzusehen sei, dass ein Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung gem. § 888 Abs. 3 ZPO nicht durch Zwangsgeld oder Zwangshaft angehalten werden kann.
3. § 12 des Arbeitsvertrags sei jedoch unwirksam, weil die vereinbarte Vertragsstrafe von einem Monatsverdienst angesichts der während der Probezeit bestehenden Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von 14 Tagen unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sei. Die Vertragsstrafe dürfe regelmäßig das für die normale Kündigungsfrist zu zahlende Entgelt nicht übersteigen. Eine Herabsetzung der der Höhe nach unwirksamen Vertragsstrafe nach § 343 BGB sei nicht möglich, weil diese Vorschrift nur dann anwendbar sei, wenn die vereinbarte Vertragsstrafenregelung wirksam vereinbart sei. Bei einer formularmäßig vereinbarten Vertragsstrafe bleibe es bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorgesehenen Folge der Unwirksamkeit.
4. Die Vertragsstrafenregelung sei insgesamt unwirksam. Es handele sich nicht um eine Klausel, die in einen zulässigen wirksamen Teil und einen unzulässigen unwirksamen Teil trennbar wäre. Eine geltungserhaltende Reduktion scheide aus. Ebenso sei für eine ergänzende Vertragsauslegung oder für einen Vertrauensschutz kein Raum. Nur wenn eine Formularklausel sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen lasse, sei die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils rechtlich unbedenklich. Voraussetzung für die Zerlegung sei, dass die unwirksame Bestimmung einfach weggestrichen werden könne, sog. “blue-pencil-test”. Eine solche Streichung sei bei § 12 des Arbeitsvertrags nicht möglich, weil für die Probezeit keine eigene und damit streichbare Regelung bestehe.
II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis und Teilen der Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Vertragsstrafenklausel in § 12 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 1. Mai 2002 stellt eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar und ist demgemäß nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
1. Die vorliegende Vertragsstrafenabrede ist als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Arbeitsvertrag der Parteien einbezogen worden. Dieser wurde im Jahre 2002 geschlossen, so dass auf ihn die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 anzuwenden sind. Hierzu gehört auch die in den §§ 305 bis 310 BGB nF geregelte Gestaltung des Schuldverhältnisses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Arbeitsvertrag der Parteien im Betrieb der Beklagten standardmäßig Verwendung findet. Er besteht aus Vertragsbestimmungen, die die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Vertrags stellte und für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
2. Die Vertragsstrafenklausel in § 12 des Arbeitsvertrags ist nicht bereits nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam.
a) Der Senat hat mit Urteil vom 4. März 2004 (– 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden, dass zwar Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig seien; in formularmäßigen Arbeitsverträgen folge aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB jedoch die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden. Der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO sei eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit in diesem Sinne. Vertragsstrafenvereinbarungen in Formulararbeitsverträgen seien daher nicht auf Grund des Klauselverbots nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig, die Unwirksamkeit solcher Abreden könne sich jedoch aus § 307 BGB ergeben (4. März 2004 – 8 AZR 196/03 – aaO).
b) Das Landesarbeitsgericht hat unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 4. März 2004 (– 8 AZR 196/03 – aaO) die vorliegende Vertragsstrafenabrede nicht am Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB scheitern lassen. Dem ist im Ergebnis zu folgen. Allerdings unterfällt die Vertragsstrafenregelung in § 12 des Arbeitsvertrags bereits inhaltlich nicht dem Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB. Nach dieser Bestimmung besteht ein Klauselverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn “dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird”. Im Streitfall geht es jedoch um eine Vertragsstrafe, weil der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst wurde. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut gilt das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB für eine solche Vertragsstrafenabrede nicht. Allerdings wird in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten, über den Wortlaut der Norm (“für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst”) hinaus seien im Arbeitsrecht sämtliche Vertragsstrafenabreden unwirksam, weil das gesetzliche Unbilligkeitsurteil nicht nur die für den Fall des Vertragsbruchs verwirkten erfasse (Kittner/Zwanziger/Lakies Arbeitsrecht Handbuch für die Praxis § 79 Rn. 20c; v. Koppenfels NZA 2002, 598, 602). Dem folgt der Senat nicht (vgl. 4. März 2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2a aa (1) der Gründe).
Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen wegen sonstiger Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers sind zwar gem. § 309 Nr. 6 BGB nicht verboten, ihre Unwirksamkeit kann sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen.
3. Die Vertragsstrafenklausel in § 12 des vorformulierten Arbeitsvertrags benachteiligt den Kläger entgegen Treu und Glauben und ist daher nach § 307 BGB unwirksam.
a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG 4. März 2004 – 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B III 2 der Gründe unter Hinweis auf BGH 14. Januar 1987 – IVa ZR 130/85 – NJW 1987, 2431; 3. November 1999 – VIII ZR 269/98 – BGHZ 143, 104 = NJW 2000, 1110; 4. Juli 1997 – V ZR 405/96 – NJW 1997, 3022). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten (BAG 24. Oktober 2002 – 6 AZR 632/00 – BAGE 103, 180 = AP HGB § 89 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 3 mwN). Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH 28. Januar 2003 – XI ZR 156/02 – BGHZ 153, 344; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 28 ff.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat die vereinbarte Vertragsstrafe deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam angesehen, weil die Strafe in Höhe eines Monatsverdienstes angesichts der während der Probezeit bestehenden Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von 14 Tagen unangemessen sei. Dabei sei es gleichgültig, dass die Vertragsstrafe erst durch eine Pflichtwidrigkeit des Klägers nach Ablauf der Probezeit unter Geltung der einmonatigen ordentlichen Kündigungsfrist verwirkt worden sei. Die bereits während der Probezeit unwirksame Vertragsstrafenklausel könne nicht danach ihre Wirksamkeit entfalten. Auch die Teilung der Vertragsstrafenklausel in einen zulässigen Regelungsteil nach der Probezeit und einen unzulässigen Regelungsteil davor sei nach dem “blue-pencil-test” nicht möglich, weil die unwirksame Bestimmung nicht einfach weggestrichen werden könne.
c) Der Senat hat mit Urteil vom 4. März 2004 (– 8 AZR 196/03 – AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) entschieden, dass ein Monatsgehalt generell als Maßstab einer angemessenen Vertragsstrafe geeignet sei. Betrage die Kündigungsfrist in der Probezeit allerdings nur zwei Wochen, sei eine Vertragsstrafe von einem Monat in der Regel unangemessen hoch. Die unangemessene Benachteiligung führe nach § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel. Eine geltungserhaltende Reduktion komme jedenfalls für den Zeitraum, in dem die kurze Kündigungsfrist gelte, nicht in Betracht (4. März 2004 – 8 AZR 196/03 – aaO, zu B III 2c der Gründe). Der Senat hat bisher offen gelassen, wie zu entscheiden ist, wenn – wie im Streitfall – die kurze Kündigungsfrist, die die Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsverdienstes als unangemessen erscheinen lässt, nach Ablauf der Probezeit nicht mehr gilt.
d) Im Streitfall bedarf diese Frage keiner Entscheidung, weil die Vertragsstrafenregelung in § 12 des Arbeitsvertrags unabhängig von der Höhe der Vertragsstrafe bereits hinsichtlich des Grundes der Verwirkung der Vertragsstrafe zu unbestimmt ist sowie inhaltlich eine unangemessene Benachteiligung des Klägers enthält und schon deshalb unwirksam ist.
aa) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit muss die Vertragsstrafenabrede nicht nur klar und verständlich sein. Sie darf auch als solche nicht unangemessen benachteiligen; die Vereinbarung der konkreten Vertragsstrafe muss zumutbar sein. Das bedeutet: Die Bestimmung muss die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen (BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
bb) Die vorliegende Vertragsstrafenabrede ist schon wegen mangelnder Bestimmtheit unwirksam. Die Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe durch “schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst”, ist nicht klar und verständlich, weil die Pflichtverletzungen nicht hinreichend bestimmt sind. Die vereinbarte Vertragsstrafe muss nämlich nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten zielen, sind wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam (ErfK/Müller-Glöge §§ 339 bis 345 BGB Rn. 15 unter Hinweis auf BAG 14. Dezember 1988 – 5 AZR 10/88 –). Die Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen. Nur so kann der Arbeitnehmer erkennen, was ggf. “auf ihn zukommt” (vgl. BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 5b der Gründe). “Schuldhaft vertragswidriges Verhalten” ohne nähere Konkretisierung enthält deshalb nicht die nötige Warnfunktion und entspricht wegen des Strafcharakters der Vertragsstrafe auch nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
cc) Im Übrigen ist die vorliegende Vertragsstrafenregelung hinsichtlich des Verwirkungsgrundes zu weit gefasst und damit auch als solche inhaltlich unangemessen. Da die Vertragsstrafenregelung einseitig nur an Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zu Gunsten des Arbeitgebers anknüpft, muss die Verwirkung der Vertragsstrafe nach Treu und Glauben den Interessen beider Arbeitsvertragsparteien gerecht werden. Ist erkennbar, dass die Vertragsstrafe in erster Linie zur bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen eingesetzt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers (Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 28 im Anschluss an BGH 23. Januar 2003 – VII ZR 210/01 – BGHZ 153, 311, 324 = NJW 2003, 1805; 18. November 1982 – VII ZR 305/81 – BGHZ 85, 305, 313 f. = NJW 1983, 385).
Im Falle des vorsätzlichen Vertragsbruchs durch den Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmer weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, den Arbeitsvertrag zu brechen (vgl. Henssler RdA 2002, 129, 138; Leder/Morgenroth NZA 2002, 952, 954 f.; Bauer/Rolf Anm. zu AP BGB § 309 Nr. 2; Singer RdA 2003, 194, 202). Bei einem schuldhaften vertragswidrigen Verhalten, das den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung veranlasst, wird der Interessenausgleich in erster Linie durch die Möglichkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers herbeigeführt. Eine darüber hinausgehende Bestrafung des Arbeitnehmers durch die Vertragsstrafe kann nur durch Verletzung weiterer schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, so zB durch bestimmte Eigentums- oder Vermögensverletzungen durch den Arbeitnehmer. Für eine Vertragsstrafe, die durch jegliches schuldhaftes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst, verwirkt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers. Eine solche Abrede zielt auf die Absicherung aller vertraglichen Pflichten und enthält damit eine unangemessene “Übersicherung” (vgl. ErfK/Müller-Glöge §§ 339 bis 345 BGB Rn. 15).
e) Somit ist die Vertragsstrafenregelung in § 12 des Arbeitsvertrags gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, soweit die Vertragsstrafe für den Fall verwirkt ist, dass der Arbeitnehmer durch schuldhaftes vertragswidriges Verhalten den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst. Von der Unwirksamkeit wird nicht die Vertragsstrafenregelung in § 12 des Arbeitsvertrags erfasst, soweit sie an den Nichtantritt des Arbeitsverhältnisses oder Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch anknüpft. Die unzulässige Vertragsstrafenregelung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kann ohne weiteres aus § 12 des Arbeitsvertrags herausgestrichen werden, wobei die restliche Regelung nach dem “blue-pencil-test” verständlich und wirksam bleibt (vgl. BGH 18. April 1989 – X ZR 31/88 – BGHZ 107, 185, 190; 7. Juni 1989 – VIII ZR 91/88 – BGHZ 108, 1, 12; Palandt/Heinrichs BGB Vorb v § 307 Rn. 11 mwN).
III. Die Beklagte hat gem. § 97 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Morsch, Hennecke
Fundstellen
Haufe-Index 1402387 |
BB 2005, 2822 |
DB 2005, 1913 |
FA 2005, 350 |
NZA 2005, 1053 |
SAE 2006, 16 |
AP, 0 |
AuA 2005, 619 |
EzA-SD 2005, 3 |
EzA |
PersV 2006, 71 |
NJW-Spezial 2005, 421 |
ZGS 2005, 406 |
BAGReport 2005, 295 |