Rz. 10
Anwendungsvoraussetzung für die Inventurvereinfachungsverfahren des § 241 HGB ist die dauerhafte Bestandszuverlässigkeit. Für die vor- bzw. nachverlegte Stichtagsinventur muss Bestandszuverlässigkeit lediglich für den Fortschreibungszeitraum gegeben sein. Dazu muss das Bestandsführungssystem permanent die Bestände so erfassen, fortschreiben und korrigieren, dass die Buchbestände zu jedem Zeitpunkt nicht mehr als unwesentlich von den tatsächlichen Beständen im Lager abweichen. Dazu ist die Einrichtung eines sachgerecht aufgebauten und funktionsfähigen internen Kontrollsystems erforderlich; dies erfordert, dass der Kfm. auf der Grundlage einer Analyse der Bestandszuverlässigkeitsrisiken ein System von Sicherungsmaßnahmen und Kontrollen einrichtet.
Rz. 11
Zu den Sicherungsmaßnahmen gehören bspw. physische und logische Zugangskontrollen sowie bauliche Sicherungsmaßnahmen (bspw. Tresor, Mauer, Alarmanlage, Behälter) oder organisatorische Sicherungsmaßnahmen (bspw. Verfahrensabläufe, Werkschutz). Auf Grundlage der eingerichteten Sicherungsmaßnahmen und einer Einschätzung der verbleibenden Risiken für die Bestandszuverlässigkeit unter Berücksichtigung von in der Vergangenheit ermittelten Bestandsabweichungen muss der Kfm. entscheiden, welche Kontrollen erforderlich sind, um die Bestandszuverlässigkeit dauerhaft zu gewährleisten.
Rz. 12
Die erforderlichen Kontrollen beziehen sich sowohl auf die eingerichteten Sicherungsmaßnahmen als auch auf die in den Büchern verzeichneten Bestände. Das Gesetz enthält keine Vorschrift, wie häufig die Kontrollen vorzunehmen sind. Die gesetzliche Regelung muss deshalb in Abhängigkeit vom erforderlichen Niveau der Bestandszuverlässigkeit ausgelegt werden. Trotzdem wird übereinstimmend die Auffassung vertreten, alle Bestände seien zumindest einmal pro Jahr zu erfassen. Bei einer solchen Orientierung an der Dauer des Gj von normalerweise zwölf Monaten bleibt allerdings unklar, warum bei Halbjahresfinanzberichten nach § 115 Abs. 3 WpHG keine Verkürzung des Erfassungsintervalls gefordert wird. Dies legt den Schluss nahe, dass die Forderung nach einmal jährlicher Erfassung anhand der üblichen Geschäftsjahresdauer gegriffen und aus den GoB nicht unmittelbar herleitbar ist. Bei einer Systemprüfung eines Bestandsfortschreibungssystems (§ 240 Rz 19) ergibt sich die erforderliche Erfassungshäufigkeit nicht aus der Geschäftsjahresdauer, sondern aus den Bestandszuverlässigkeitsrisiken. Deshalb ist bei geringen Bestandszuverlässigkeitsrisiken eine seltenere Erfassung denkbar; dies wird aber von der h. M. abgelehnt.
Rz. 13
Führen die Ergebnisse aus der Anwendung des Stichprobenverfahrens (bspw. bei einem Sequenzialtest) zu einer Ablehnung der Bestandszuverlässigkeit, ist eine ordnungsmäßige Inventur auf der Grundlage einer Systemprüfung des Bestandsfortschreibungssystems (§ 240 Rz 19) nicht mehr möglich. Eine ordnungsmäßige Inventur ist dann nur noch durch körperliche Bestandsaufnahme möglich.