Rz. 42
Das Gesetz regelt die Dauer des Geschäftsjahrs nicht – das Gesetz spricht von "Geschäftsjahr", nicht von einem Jahr i. S. e. Zwölf-Monats-Zeitraums; lediglich § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB begrenzt die Dauer des Gj auf höchstens zwölf Monate. Bereits die Überschreitung um nur einen Tag ist unzulässig.
Rz. 43
Damit hat der Gesetzgeber keine Mindestdauer festgeschrieben und auch keine Normaldauer bestimmt. Daraus könnte geschlossen werden, dass der Kfm. die Dauer eines Gj frei bestimmen kann. Dies ist indes nicht der Fall: Das Gesetz spricht in § 242 Abs. 1 HGB von einem "Jahresabschluss" für den Zeitraum von Beginn bis zum Ende des Gj. Weiter hat der Gesetzgeber in § 115 WpHG für bestimmte Unt einen Halbjahresfinanzbericht geregelt. Der Gesetzgeber lässt dadurch nach h. M. keinen Zweifel, dass er von einer normalen Geschäftsjahresdauer von genau zwölf Monaten ausgeht.
Rz. 44
Der Gesetzgeber wollte jedoch auch Rumpfgeschäftsjahre zulassen. Rumpfgeschäftsjahre sind Gj, die kürzer dauern als zwölf Monate. Dies erlaubt dem Kfm., das Geschäftsjahrsende frei nach den Erfordernissen seines Betriebs zu bestimmen bzw. an geänderte Erfordernisse anzupassen.
Rz. 45
Der Kfm. bestimmt sein Gj durch eigenes Handeln. Bei PersG und KapG ist die Bestimmung des Gj im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung erforderlich, wenn ein vom Kj abweichendes Gj gelten soll. Enthält der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung keine Bestimmung zum Gj, so gilt das Kj als Gj vereinbart.
Rz. 46
Der Abschlussstichtag ist bei Gründung des Unt frei wählbar. Damit kann der Kfm. bei der Wahl des Abschlussstichtags seinen betrieblichen und bestehenden gesetzlichen Anforderungen Rechnung tragen.
Der Kfm. betreibt einen Skilift. Da er im Winter Hochsaison hat, wählt er den 30.6. als Abschlussstichtag, da im Sommer sein Geschäft ruht und er Zeit für Verwaltungsarbeiten hat.
Für einen Kfm., der ein Freibad betreibt, ist der 30.6. als Abschlussstichtag dagegen ungelegen. Für ihn ist ein Abschlussstichtag nach dem Ende der Badesaison viel sinnvoller, bspw. der 31.10.
Ein konzernrechnungslegungspflichtiges MU gründet am 24.4. ein TU. Es wählt als Abschlussstichtag den 31.12., da dies auch der Konzernabschlussstichtag ist. Somit vermeidet die Ges., dass zusätzlich zum Jahresabschluss ein Zwischenabschluss auf den 31.12. erstellt werden muss, damit das TU in den Konzernabschluss einbezogen werden kann.
Rz. 47
§ 240 Abs. 2 HGB enthält keine Anordnung, die den späteren Wechsel des Abschlussstichtags beschränkt. Jedoch ist der freie Wechsel aus folgenden Gründen unzulässig:
- Jahresabschlüsse müssen nach § 265 Abs. 2 HGB die Vorjahresvergleichszahlen enthalten und zusätzliche Angaben, wenn ein Vergleich mit dem Vj nicht möglich ist. Die Vergleichbarkeit ist bei Rumpfgeschäftsjahren jedoch erheblich gestört; ein dauernder Wechsel des Gj vermindert die Informationsfunktion des Jahresabschlusses und ist deshalb unzulässig.
- Mit der Änderung des Gj ist ein Eingriff in das Gewinnbezugsrecht des Gesellschafters verbunden. Zum einen kann es zu einer zeitlichen Verschiebung kommen, zum anderen kann es – insb. bei Saisonbetrieben – zu einer Beschneidung oder Überhöhung des Gewinnbezugsrechts durch Rumpfgeschäftsjahre kommen. Der Schutz der Gesellschafter bzw. der Schutz der Ges. und der Gläubiger erfordert deshalb eine Beschränkung des Wechsels des Gj.
- Schutzwürdig ist in gleicher Weise der Fiskus, wenn durch den willkürlichen Wechsel des Gj Steueransprüche gemindert oder zeitlich verschoben werden.
- Der Wechsel des Abschlussstichtags führt zudem zu vermehrten Kosten für bspw. die Erstellung von Jahresabschlüssen, Steuererklärungen, Hauptversammlungen und Abschlussprüfungen.
Rz. 48
In sachlich begründeten Ausnahmefällen überwiegt der Nutzen eines Wechsels die damit verbundenen Nachteile und ist dann zulässig:
- Anpassung des Abschlussstichtags an den Konzernabschlussstichtag.
- Herausbildung eines saisonalen Geschäfts oder Verschiebung der Saison und Verlegung des Abschlussstichtags auf einen Tag außerhalb der Saison.
- Gesellschaftsrechtliche Vorgänge wie bspw. Einbringung eines Unt, Umwandlungen, Verschmelzungen.
- Besondere betriebliche Umstände wie bspw. die Anmeldung einer Liquidation oder Insolvenz.
Rz. 49
Von dieser handelsrechtlichen Betrachtungsweise sind die Beschränkungen des Wechsels des Abschlussstichtags im Steuerrecht zu unterscheiden. Danach ist der Wechsel auf den 31.12. stets zulässig, während der Wechsel auf einen anderen Stichtag als den 31.12. der Zustimmung des Finanzamts bedarf (§ 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG; § 8b EStDV). Stets steuerrechtlich zugelassen ist der Wechsel auf den Konzernabschlussstichtag.