Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Der Anspruch auf Auszahlung eines Körperschaftsteuerguthabens i.S. des § 37 Abs. 5 KStG ist eine sonstige Kapitalforderung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
2. Die Rückzahlung einer unter Nominalwert erworbenen Kapitalforderung ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG zu besteuern und nicht in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen.
3. Die Anschaffungskosten für den Erwerb einer Forderung mit verschiedenen Fälligkeitszeitpunkten sind aufzuteilen und anteilig in dem Veranlagungszeitraum abziehbar, in dem die jeweils fällige Teilrückzahlung zufließt (§ 20 Abs. 4 Satz 1 EStG).
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2, Abs. 4 Satz 1 EStG, § 37 Abs. 5 und 7 KStG
Sachverhalt
Der Kläger schloss im Jahr 2012 mit der K‐GmbH einen Forderungskauf- und Abtretungsvertrag. Gegenstand des Kaufvertrags war der Anspruch auf Auszahlung von KSt-Guthaben nach § 37 Abs. 5 KStG, der zugunsten der A‐GmbH festgesetzt worden war. Der Kläger war an der K-GmbH, an die die A-GmbH die Forderung nach § 37 Abs. 5 KStG abgetreten hatte, weder beteiligt noch stand er zu dieser in einem Anstellungsverhältnis. Der Kaufpreis belief sich für die im Jahr 2015 fällige Erstattung i.H.v. 200.683,07 EUR, für die im Jahr 2016 fällige Erstattung i.H.v. 100.341,53 EUR und für die im Jahr 2017 fällig Erstattung i.H.v. 200.683,07 EUR auf insgesamt 210.000 EUR. Im Streitjahr 2015 zahlte der Fiskus an den Kläger einen Betrag i.H.v. 200.683 EUR. In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr vertraten die Kläger die Auffassung, dass es sich bei den aus dem Forderungskauf erzielten Einnahmen um eine bloße private Vermögensmehrung handele, die nicht der ESt unterliege. Das FA folgte dieser Auffassung im ESt-Bescheid 2015 nicht und berücksichtigte bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG einen Betrag i.H.v. 116.683 EUR. Diesen berechnete es wie folgt: Einnahmen von 200.683 EUR abzüglich Anschaffungskosten von 84.000 EUR (= 40 % des Gesamtkaufpreises von 210.000 EUR). Die hiergegen erhobene Klage hat das FG abgewiesen (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2018, 13 K 2486/17 E, Haufe-Index 12603609, EFG 2019, 129).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Die Auszahlung des KSt-Guthabens nach § 37 Abs. 5 KStG führt bei dem Kläger zu Kapitaleinkünften nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG. Denn bei dem erworbenen Anspruch auf Auszahlung des KSt-Guthabens handelt es sich um eine sonstige Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, deren Rückzahlung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zu Kapitaleinkünften führt. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erfasst sonstige Kapitalforderungen jeder Art i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Der Rechtsgrund der Kapitalüberlassung bzw. des Anspruchs ist dabei ohne Bedeutung. Er kann vertraglicher oder gesetzlicher, öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sein.
2. Auch eine nicht freiwillige, sondern erzwungene Kapitalüberlassung in Form der Zahlung von Steuern kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine unverzinsliche Forderung handelt; denn § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nimmt nur auf "sonstige Kapitalforderungen jeder Art i.S. des Abs. 1 Nr. 7" Bezug und setzt nicht voraus, dass auch laufende Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vorliegen. Das Gesetz verlangt in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG nur eine Rückzahlung des Kapitals.
3. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht selbst eine Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch die Gewährung eines Darlehens begründet hat, sondern eine solche Forderung – vorliegend in Form des Anspruchs auf Auszahlung eines KSt-Guthabens i.S.d. § 37 Abs. 5 KStG – durch Abtretung entgeltlich erworben hat. Dies folgt bereits aus der Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG, der auch die Veräußerung und über § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG auch die Rückzahlung einer erworbenen Kapitalforderung der Besteuerung unterwirft. Wie die Regelung des § 37 Abs. 5 Satz 10 KStG über die Nichtanwendung des § 46 Abs. 4 AO zeigt, gilt dies auch für die Abtretung eines Anspruchs auf Auszahlung des KSt-Guthabens. Denn danach ist der geschäftsmäßige Erwerb von Ansprüchen auf Erstattung von KSt-Guthaben i.S.d. § 37 Abs. 5 KStG zum Zwecke der Einziehung zulässig.
4. Damit sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG erfüllt. Die Zahlung des KSt-Guthabens i.H.v. 200.683 EUR fällt unter den Tatbestand der Rückzahlung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Fiskus zahlte an den Kläger, der infolge der Abtretung gemäß § 46 Abs. 1 bis 3 AO, §§ 398ff. BGB hinsichtlich des Zahlungsanspruchs an die Stelle des bisherigen Gläubigers der Kapitalforderung – zuletzt die K‐GmbH – getreten war, um in Höhe der geleisteten Zahlung den Anspruch auf Auszahlung des KSt-Guthabens nach § 37 Abs. 5 KStG zum Erlöschen zu bringen.
5. Auf die Frage, ob in dem vom Kläger erworbenen Anspruch auf Auszahlung des KSt-Guthabens i.S.d. § 37 Abs. 5 KStG aufgrund...