Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung
Leitsatz (NV)
Das Setzen von Ausschlußfristen läßt grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit eines Richters aufkommen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde wegen Körperschaftsteuer in Haftung genommen. Er erhob hiergegen Klage. Bei dem für die Bearbeitung dieser Klage zuständigen Senat waren noch weitere Verfahren anhängig, die der Kläger und seine Ehefrau in Sachen Einkommensteuer ... erhoben hatten. In den zuletzt genannten Verfahren ergingen am 20. Juni 1995 Anordnungen nach § 62 Abs. 3 Satz 3, § 65 Abs. 2 Satz 2 und § 79 b der Finanzgerichtsordnung (FGO), wobei eine Frist für die Beantwortung bis zum 5. Juli 1995 gesetzt wurde.
Am 21. Juni 1995 wurde für sämtliche Verfahren auf den 11. Juli 1995 geladen.
Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1995 lehnte der Klägervertreter die für die Anordnungen zuständige Berichterstatterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er rügte die knappe Zeitspanne zwischen dem Ablauf der gesetzten Frist und dem Termin zur mündlichen Verhandlung. Aus der Ladung sämtlicher Fälle auf den gleichen Termin ergebe sich, daß die Verfahren gegen den Kläger und seine Ehefrau "abgewürgt" werden sollten. Die angeforderten Belege könnten bei normaler Arbeitsintensität nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt und schon gar nicht dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) zur Stellungnahme übermittelt werden. Das Finanzgericht (FG) habe über Monate Informationen zurückbehalten. Die Berichterstatterin habe nach Aktenstudium neue Rechts- und Sachfragen entwickelt. Ein solches Verfahren sei mit der FGO nicht mehr vereinbar. Die mündliche Verhandlung solle nur als Maßregelung dienen. Bei vernünftiger Betrachtung müsse davon ausgegangen werden, daß die Richterin voreingenommen und unsachlich entscheiden werde.
In der dienstlichen Stellungnahme erklärt die abgelehnte Richterin, daß sie eine Bearbeitungsfrist von zwei Wochen für angemessen gehalten habe, da die Unterlagen den Steuerpflichtigen hätten vorliegen müssen. Bei Bearbeitung der Akten hätten sich zusätzliche Fragen gestellt. Ein versehentlich den Steuerpflichtigen nicht übermitteltes Schreiben des FA sei mit der Ladung übersandt worden. Es bestehe kein Grund zur Annahme, daß das Urteil ergehen sollte, ohne den Steuerpflichtigen Gelegenheit zur Klagebegründung zu geben. Die Verfahren seien zusammen terminiert worden, um den Beteiligten eine mehrmalige Anreise zum FG zu ersparen.
Der Antrag auf Ablehnung der Berichterstatterin hatte keinen Erfolg. Die Klage in Sachen Haftungsbescheid wurde abgewiesen.
Gegen den Beschluß in Sachen Richterablehnung legte der Kläger eine nicht näher begründete Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses das Ablehnungsgesuch für begründet zu erklären.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Für die Ablehnung gelten die §§ 41 bis 49 ZPO sinngemäß (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO). Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon aus gehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Mai 1992 V B 235/91, BFH/NV 1993, 731, m. w. N.). Im Streitfall bestehen aus objektiver Sicht für eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richterin keine Anhaltspunkte.
Für das hier streitige Haftungsverfahren ist am 20. Juni 1995 überhaupt keine Anordnung mit Ausschlußfrist ergangen. Die Zusammenfassung mehrerer Streitsachen an einem Verhandlungstag dient der Vermeidung mehrmaliger Fahrten zum Gericht und liegt geradezu im Interesse sämtlicher Beteiligten.
Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich zwar auch aus dem Verhalten eines Richters in einem Parallelverfahren ergeben. Die in den den Kläger und seine Ehefrau betreffenden Klageverfahren gesetzten Ausschlußfristen lassen aber eine Besorgnis der Befangenheit schon deswegen nicht entstehen, weil sie bei Vorliegen erheblicher Gründe auf fristgerechten und glaubhaft gemachten Antrag verlängert werden können (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO). Im übrigen läge eine Besorgnis der Befangenheit selbst dann nicht vor, wenn ein Richter irrtümlich davon ausgeht, daß die Anordnung vom Steuerpflichtigen innerhalb der gesetzten Frist beantwortet werden könne (vgl. z. B. zu Irrtum und Fehlverhalten BFH-Beschlüsse vom 2. September 1991 XI B 27/90, BFH/NV 1992, 124; vom 9. Februar 1994 I B 161/93, BFH/NV 1994, 874, m. w. N.). Etwas objektiv Unmögliches hat die Berichterstatterin im Streitfall keinesfalls verlangt. In den Anordnungen werden nahezu ausschließlich Angaben und Nachweise erbeten, die sich ohnehin in den Unterlagen des Klägers und seiner Ehefrau befinden müßten. Daß diese eine Beschleunigung der Verfahren möglicherweise vermeiden wollten und die Anordnungen aus diesem Grund dem Kläger und seiner Ehefrau mißfielen, ist kein Ablehnungsgrund (vgl. z. B. Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 51 Rdnr. 42).
Fundstellen
Haufe-Index 421399 |
BFH/NV 1996, 761 |