Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Richterablehnung wegen Frage nach Beruf der Partei
Leitsatz (NV)
Die Frage des Richters nach dem derzeitigen Beruf des Klägers kann regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1, § 105 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 42 Abs. 1-2, §§ 43, 44 Abs. 4
Tatbestand
Der Antragsteller lehnte den Richter am Finanzgericht (FG) R., der als Berichterstatter einen Erörterungstermin in Streitverfahren des Antragstellers gegen das beklagte Finanzamt (FA) durchgeführt hatte, mit der Begründung als befangen ab, der Richter habe ihn (Antragsteller) gefragt, ob er noch als Anwalt zugelassen sei, und hinzugefügt, ihm - dem Richter - sei etwas von ,,Vorgängen" bekannt. Das FG wies nach Einholung einer dienstlichen Äußerung des Richters das Ablehnungsgesuch zurück. Ein Ablehnungsgrund liege - so das FG - nicht vor, denn die Frage nach dem Beruf des Antragstellers sei im Hinblick auf § 105 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sachlich gerechtfertigt und angesichts eines Vermerks in den Steuerakten veranlaßt gewesen. Die weiteren vom Antragsteller angeführten Umstände, insbesondere der Hinweis auf die Art, wie der Richter Kenntnis von den beim Justizministerium geführten Vorgängen erlangt haben müsse, seien teils unzutreffende Vermutungen, teils ebenfalls nicht geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters hervorzurufen. Selbst wenn die Vermutungen richtig wären, ließe sich aus der Frage, ob der Antragsteller noch zur Anwaltschaft zugelassen sei, nicht folgern, der Richter habe Kenntnis von dem entsprechenden Verfahren und billige dieses.
Mit der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde macht der Antragsteller geltend, allein der Umstand, daß der Richter von ,,Vorgängen" über ihn - Antragsteller - gesprochen habe, beweise die Befangenheit, denn dies zeige, daß in die Entscheidung Gesichtspunkte mit einfließen würden, die mit dem Rechtsstreit nichts zu tun hätten. Die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich auch daraus, daß sich der Richter auf einen offenkundig unberechtigten Vermerk in den Vollstreckungsakten gestützt und sich damit rechtswidrige Vorgänge im Bereich des FA zu eigen gemacht habe.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Sie könnte schon dann keinen Erfolg haben, wenn der Antragsteller das Ablehnungsrecht durch Einlassung bei einer Verhandlung vor dem abgelehnten Richter - hier: (Erörterungs-)Termin vor dem Einzelrichter (vgl. Tipke-Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 51 FGO Tz. 10) - in Kenntnis des Ablehnungsgrundes (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 43 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) verloren hätte. Den Akten läßt sich nicht entnehmen, ob die Verhandlung zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor oder nach der Frage des Richters an den Antragsteller geführt worden ist. Es kann dahinstehen, ob es einer Glaubhaftmachung dahin bedürfte, daß die vom Antragsteller beanstandete Frage des Richters erst nach der Erörterung gestellt worden ist (vgl. § 44 Abs. 4 ZPO). Denn jedenfalls liegt ein Ablehnungsgrund (§ 42 Abs. 1 und 2 ZPO), wie vom FG richtig entschieden, nicht vor. Gründe, die Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen, sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, 147, BStBl II 1985, 555). Ein solcher Grund liegt nicht in einem im Rahmen der richterlichen Sachaufklärungspflicht gebotenen Verhalten (BFH, Beschluß vom 16. Januar 1987 IX B 157/86, BFH/NV 1987, 382; vgl. auch Senat, Beschluß vom 11. März 1986 VII B 54/85, BFH/NV 1986, 543). Er kann auch nicht in der Frage nach dem (derzeitigen) Beruf des Antragstellers, einer Angabe, die zu der in das Urteil aufzunehmenden Parteibezeichnung gehört (§ 105 Abs. 2 Nr. 1 FGO), gesehen werden; das gilt jedenfalls dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß eine noch geführte Berufsbezeichnung nicht mehr zutrifft. Jeder in Betracht kommende Umstand ist geeignet, eine solche Frage nahezulegen. Auch Vermerke in den Steuerakten können die Frage veranlassen, ohne daß es einer vorherigen Prüfung bedürfte, ob das FA zu solchen Vermerken berechtigt und wie es zu ihnen gekommen war. Die entsprechende Frage kann - für sich - bei vernünftiger Betrachtung auch nicht den Eindruck erwecken, der Fragesteller mache sich Behauptungen im Sinne eines derartigen Vermerks zu eigen, denn täte er das, so würde er nicht fragen. Auch wenn Richter am FG R. im Zusammenhang mit der Frage ihm bekannte ,,Vorgänge" erwähnt haben sollte, wäre seine Befangenheit nicht zu besorgen. Eine solche Erwähnung kann bei objektiver Würdigung nur als Erklärung des Grundes der Frage verstanden werden. Sie vermag nicht die Annahme zu begründen, daß die Beurteilung der Streitsachen seitens des Richters durch nicht sachbezogene Gesichtspunkte wie der Billigung eines etwa rechtswidrigen behördlichen Vorgehens gegen den Antragsteller bestimmt werden könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 415298 |
BFH/NV 1988, 245 |