Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Bauherrenmodells - Unselbständige Anschlußbeschwerde
Leitsatz (NV)
1. Wird im finanzgerichtlichen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung die vom FG zugelassene Beschwerde durch einen Beteiligten eingelegt, so kann auch der andere Beteiligte nicht fristgebunden unselbständige Anschlußbeschwerde erheben.
2. Kauft einer der Initiatoren eines Bauherrenmodells, weil sich das Projekt nicht verwirklichen läßt, den Anlegern das von diesen gekaufte Baugrundstück zu deren bis dahin angefallenen Aufwendungen wieder ab, nachdem die von den Anlegern geleisteten Gebühren und Finanzierungskosten vom FA bereits als sofort abziehbare Werbungskosten berücksichtigt worden waren, so ist ernstlich zweifelhaft, ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage aus dem jetzigen Kaufpreis zurückgeflossene Werbungskosten herausgespalten werden können, die als Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen wären.
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 §§ 42, 180 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2-3, § 128
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller, Beschwerdegegner und Anschlußbeschwerdeführer (Antragsteller) beteiligte sich im Jahre 1980 an einem Bauherrenmodell, um eine Eigentumswohnung zu Gesamtkosten von . . . DM zu erwerben. Grundlage des Angebots war ein Prospekt mit einer ins einzelne gehenden Darstellung der bautechnischen, rechtlichen und finanziellen Durchführung des Vorhabens. Dementsprechend hatte der Antragsteller als Treugeber die Treuhänderin gemäß formularmäßig ausgestaltetem Treuhandvertrag beauftragt und ihr am 11. September 1980 eine notariell beurkundete Vollmacht erteilt, bezüglich der in dem Prospekt und in dem Treuhandvertrag bezeichneten Eigentumswohnung die erforderlichen Verträge entspechend dem kalkulierten anteiligen Gesamtaufwand in seinem - des Antragstellers - Namen und für seine Rechnung abzuschließen.
Für die Leistungen der einzelnen Gesellschaften fielen für den Antragsteller folgende Gebühren an:
Treuhandgebühr, sonstige Gebühren zur Begleichung der in dem Treuhandvertrag bezeichneten Kosten, Bürgschaftsprovision, Zinsgarantiegebühr, Finanzierungsgarantiegebühr, Finanzierungsvermittlungsgebühr für die Zwischenfinanzierung, Finanzierungsvermittlungsgebühr für die Endfinanzierung.
In der Folgezeit stellte sich heraus, daß das Bauvorhaben nicht planungsgemäß zu verwirklichen war. Eine der eingeschalteten Gesellschaften erklärte sich daraufhin bereit, den einzelnen Anlegern den Anteil an dem Grundstück zu den jeweils aufgelaufenen Aufwendungen abzukaufen. Die hiermit einverstandenen Anleger beschlossen am 12. Januar 1982 die Auflösung der Bauherrengemeinschaft. Mit Vertrag vom 13. September 1982 verkaufte der Antragsteller seinen Grundstücksanteil für . . . DM. Der Kaufpreis setzt sich zusammen aus den Kosten für Grund und Boden und Notargebühren, Architektenhonorar sowie aus Gebühren und Provisionen, die für den Antragsteller entsprechend dem Prospekt im Zeitraum 1980 bis 1982 angefallen waren.
Im wesentlichen entsprechend den eingereichten Feststellungserklärungen für 1979 bis 1982 stellte das Finanzamt (FA) unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -) bestandskräftig Werbungskostenüberschüsse fest, die für den Antragsteller . . . DM, . . . DM und . . . DM betrugen. Nachdem das FA vom Verkauf der Grundstücksanteile erfahren hatte, erfaßte es die in den Jahren 1980 und 1981 geltend gemachten und berücksichtigten Werbungskosten mit dem geänderten Feststellungsbescheid für 1982 als Einnahmen in Höhe von insgesamt . . . DM, wovon auf den Antragsteller der Betrag von . . . DM entfiel. Außerdem ließ es die Bauzeitzinsen für 1982 in Höhe von . . . DM - Anteil des Antragstellers . . . DM - nicht mehr zum Werbungskostenabzug zu.
Über die vom Antragsteller nach erfolglosem Einspruch hiergegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Dagegen hatte sein an das FG gerichteter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Ablehnung durch das FA überwiegend Erfolg. Die an die Initiatoren gezahlten Provisionen und Gebühren seien entgegen der Handhabung des FA für 1980 und 1981 als Vorauszahlungen auf die Anschaffungskosten für die Eigentumswohnung anzusehen und nicht zu den sofort abzugsfähigen Werbungskosten zu rechnen. Soweit mit dem an den Antragsteller entrichteten Kaufpreis auch die an die Initiatoren gezahlten Gebühren und Entgelte vergütet worden seien, handele es sich insoweit nicht um den Rückfluß von Werbungskosten i. S. von § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern um die Rückzahlung vorausgezahlter Anschaffungskosten. Diese seien keine Einkünfte im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, sondern gehörten in den einkommensteuerrechtlich neutralen Vermögensbereich des Antragstellers.
Im Gegensatz zu den Gebühren und Entgelten an die Initiatoren bildeten die für die Zwischenfinanzierung gezahlten Bauzeitzinsen Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Dieser Betrag sei dem Antragsteller - wie sich aus der Berechnung des Kaufpreises ergebe - letztlich erstattet worden. Der Vorgang sei daher als Rückfluß mit der Folge zu beurteilen, daß der Betrag beim Antragsteller im Streitjahr 1982 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen sei.
Soweit der Antragsteller auch Ersatz erhalten habe für die von ihm 1982 gezahlten und als Werbungskosten berücksichtigten Bauzeitzinsen, würden sich die Auswirkungen von Leistung und Rückgewähr steuerlich aufheben, da sie in demselben Veranlagungszeitraum erfolgt seien.
Daher sei die Vollziehung des Feststellungsbescheids insoweit auszusetzen, als dem Antragsteller ein über den Betrag von . . . DM hinausgehender Überschuß zugerechnet worden sei.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht das FA geltend: Aufgrund der Nichtrealisierung des Bauvorhabens müßten die 1980 und 1981 geleisteten Zahlungen als vergebliche Aufwendungen angesehen werden, die sich zunächst zum Zeitpunkt des Abflusses als Werbungskosten ausgewirkt hätten, während die 1982 erhaltenen Zahlungen erst in diesem Veranlagungszeitraum als Rückfluß der Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen seien. Maßgebend sei außerdem, wie das FA die ursprünglich geleisteten Zahlungen beurteilt und entsprechend steuerrechtlich berücksichtigt habe. Ferner verbiete sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die Rückzahlungsbeträge von zu Unrecht steuerfrei belassenen Einnahmen im Zeitpunkt der Rückzahlung als negative Einnahmen zu erfassen, weil ansonsten eine doppelte steuerliche Begünstigung gewährt würde. Diese Rechtsauffassung müsse analog auch für den vorliegenden Fall gelten.
Das FA beantragt, den FG-Beschluß insoweit aufzuheben, als dem Antrag stattgegeben worden ist, und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde des FA als unbegründet zurückzuweisen und über den FG-Beschluß hinaus die Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfange in Höhe von . . . DM zu gewähren.
Die Vereinnahmung eines Verkaufspreises falle nicht unter die Nutzungsentgelte i. S. des § 21 EStG. Es handle sich auch um keine nachträglichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Voraussetzungen für eine Steuerumgehung i. S. von § 42 AO 1977 seien nicht gegeben, jedenfalls vom FA nicht dargelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist nicht begründet. Dagegen greift die vom Antragsteller eingelegte, nicht fristgebundene unselbständige Anschlußbeschwerde, die nach ständiger Rechtsprechung zulässig ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 128 Anm. 12), durch.
Das FG hat die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des Änderungsbescheids zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Vermietungseinkünfte 1982 dem Grunde nach ohne Rechtsfehler als vorliegend erachtet. Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen nach ständiger Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Februar 1967 III B 9/66 (BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182) vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dies ist aufgrund einer summarischen Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des betroffenen Bescheids zu entscheiden.
Der Senat geht mit dem FG und den Beteiligten von dem Grundsatz aus, daß Einnahmen einer Einkunftsart auch die Rückflüsse von Aufwendungen sind, die zuvor bei der Ermittlung der Einkünfte dieser Einkunftsart als Werbungskosten abgezogen worden waren (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1964 VI 346/61 U, BFHE 81, 188, BStBl III 1965, 67, und vom 29. Juni 1982 VIII R 6/79, BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755). Andererseits führt die Veräußerung eines ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmten Wirtschaftsguts des Privatvermögens nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. die Senatsurteile vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464, und IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465, sowie vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775). Es ist jedoch noch nicht höchstrichterlich geklärt und ernstlich zweifelhaft, wie zu entscheiden ist, wenn der Rückfluß solcher Aufwendungen im Rahmen eines Grundstückskaufs dadurch geschieht, daß - wie hier - die Beteiligten einen Grundstückskauf durch einen Rückkauf aufheben und im Rahmen des Rückkaufpreises sämtliche dem ursprünglichen Käufer und Rückverkäufer erwachsenen Aufwendungen erstattet werden. Insbesondere bedarf der Klärung, ob bei einer solchen zivilrechtlichen Gestaltung das gezahlte Entgelt einkommensteuerrechtlich in den Kaufpreis und den Aufwendungsersatz aufgespaltet werden kann, oder ob die Voraussetzungen eines Gestaltungsmißbrauchs i. S. des § 42 AO 1977 erfüllt sein müssen.
Außerdem hat das FG zu Recht ernstliche Zweifel an der Annahme eines Einnahmezuflusses geäußert, falls Aufwendungen zurückgewährt werden, die anstatt als Anschaffungskosten zu Unrecht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt worden waren. Die Annahme von Anschaffungskosten kommt hier in Betracht. Denn das FG hat rechtsfehlerfrei ausgesprochen, daß sich der Antragsteller an dem Bauherrenmodell als Erwerber der Eigentumswohnung beteiligt hat. Die Vorentscheidung stimmt insoweit mit dem Senatsurteil vom 14. November 1989 IX R 197/84 (BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299) überein, wonach bei der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung einer Bauherrengemeinschaft zur Errichtung von Eigentumswohnungen regelmäßig Erwerbsvorgänge anzunehmen sind; im einzelnen verweist der Senat auf seine Ausführungen in diesem Urteil.
Allerdings hat das FG nicht dazu Stellung genommen, ob es hier um die Erstattung vergeblicher Anschaffungskosten geht. Der BFH hat solche total fehlgeschlagenen Aufwendungen wiederholt als sofort abziehbare Werbungskosten beurteilt (Urteile vom 14. Februar 1978 VIII R 9/76, BFHE 125, 153, BStBl II 1978, 455, und vom 9. September 1980 VIII R 44/78, BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418). Mit dem Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 1/89 (BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830) hat der Große Senat des BFH diese Rechtsprechung auch auf Vorauszahlungen für die Herstellung eines Baues angewendet, für die wegen Konkurses des Bauunternehmers tatsächlich keine Herstellungsleistungen erbracht wurden. Hielte man die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch im Streitfall einer fehlgeschlagenen Anschaffung für einschlägig, könnte es sich letztlich doch um die einkommensteuerpflichtige Erstattung sofort abziehbarer Werbungskosten handeln. Auch diese Frage erscheint indessen im einzelnen, insbesondere hinsichtlich des für die Entscheidung über die Werbungskosteneigenschaft maßgeblichen Zeitpunkts, noch klärungsbedürftig und nicht zweifelsfrei.
Ist sonach die Rechtmäßigkeit der im angefochtenen Feststellungsbescheid dem Antragsteller zugerechneten Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aus verschiedenen Gründen ernstlich zweifelhaft, muß dies, wie der Antragsteller zu Recht rügt, auch hinsichtlich der offenbar erstatteten Finanzierungskosten gelten.
Die Vollziehung des angefochtenen Bescheids war daher unter Aufhebung des FG-Beschlusses in voller Höhe auszusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 63052 |
BFH/NV 1991, 316 |